Der Glaube an Jesus Christus kann unterschiedliche kulturell geprägte Überzeugungen zusammenführen. Das sagte die Theologin Mihamm Kim-Rauchholz am Samstag beim Kongress für Psychotherapie und Seelsorge in Würzburg. „Unsere Werte werden nicht schwächer, wenn wir Jesus an die erste Stelle setzen, sondern sie gewinnen ihre Stärke zurück, weil sie Jesus untergeordnet sind“, erklärte sie. Auf diese Weise könnten Gesellschaften weltweit auf die Herausforderungen der Flüchtlingsbewegungen reagieren. „Wenn wir gemeinsam auf den Mensch gewordenen Gott schauen, ob als Afghanen, Syrer, Deutsche oder Vietnamesen, dann gewinnen unsere Werte und Kuturen, so unterschiedlich sie auch sein mögen.“
Die in Korea geborene Professorin der Internationalen Hochschule Liebenzell führte aus, dass Christen bei den Themen, zu denen sie die stärksten Werte und Überzeugungen haben, auch am schnellsten unbarmherzig mit Menschen umgingen, die diese Werte nicht lebten. „Nicht unsere Werte sind das Problem, sondern dass wir so emotional reagieren und vielleicht sogar das Christsein des anderen infrage stellen“, sagte sie.
Die Bibel muss Maßstab für die Werte sein
„Jesus ist weder orientalisch noch europäisch, er ist weder zu höflich noch zu direkt. Er ist Gott“, sagte die Theologin. „Unsere Kuturen sind nicht sein Maßstab, er ist es, an dem sich jede Kultur messen muss. Unsere Werte sind nicht das entscheidende Kriterium, an dem sich das Wort Gottes messen lassen muss“, sagte Kim-Rauchholz. „Meine Werte, so gut sie aus meiner Sicht auch sein mögen, sind nicht die entscheidenden Kriterien, ob das Wort Gottes Sinn macht oder nicht.“ Oft kämen Menschen nicht auf die Idee, Werte, die ihrer Kultur entsprechen, anhand der Bibel kritisch zu hinterfragen.
Kim-Rauchholz nannte als Beispiel das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, mit dem Kindern in Deutschland der Wert der Ehrlichkeit nähergebracht wird. „Weil Ehrlichkeit für uns ein hoher Wert ist, hinterfragen wir das erstmal nicht“, erklärte sie. Dabei müsse sich das Sprichwort an den Werten der Bibel messen lassen, und unter diesem Gesichtspunkt beinhalte es viel Unbarmherzigkeit. „Wenn wir das Sprichwort unkritisch übernehmen, müssten wir die beiden Petrusbriefe aus der Bibel streichen, denn sie stammen von einem Apostel, der mehrfach gelogen hat“, erklärte sie.
Seminar: Wege aus der Online-Sucht
Bereits am Freitag konnten die Teilnehmer aus über 90 Seminaren und Workshops auswähen. In einem davon ging es um die Sucht nach Computerspielen und Pornografie. Jugendliche sind durch moderne Medien stärker herausgefordert als vorherige Generationen. Der Suchttherapeut Lucas Döbel erklärte: „Ich habe Respekt vor der Generation, die gerade heranwächst, denn jeder hat die Verantwortung zu entscheiden, was er sich im Internet ansieht.“ Anders als früher seien Computerspiele und Pornografie über PC und Smartphone jederzeit zugänglich, Jugendschutz gebe es dagegen oft nicht. Döbel berät junge Leute bei der Fachstelle Mediensucht „return“ in Hannover. Er will das Verantwortungsbewußtsein Heranwachsender für ihre Mediennutzung wecken.
Das Internet verspreche Jugendlichen, für alle ihre Bedürfnisse eine schnelle und einfache Befriedigung zu haben: Für den Wunsch nach Intimität gibt es Pornografie, den Wunsch nach Anerkennung Spiele, den Wunsch nach Gemeinschaft soziale Netzwerke. Kurzfristig werden hier Bedürfnisse gestillt, sagte Döbel, aber langfristig müssten sie im „analogen Leben“ erreicht werden, um glücklich zu sein. „Das ist auch den meisten Jugendlichen bewusst“, sagte Döbel. Lebe beispielsweise ein Spielsüchtiger mit 27 noch bei seinen Eltern, verachlässige er seine eigentlichen Lebensziele durch die den Internetkonsum. Junge Leute, denen diese Stagnation bewusst wird, seien bei der Therapie besonders motiviert. Dass Menschen von Spiele- oder Pornosucht freiwerden, hat Döbel erlebt. Eines aber kann er sich nicht vorstellen: „Eine vollständige Abstinenz vom Internet ist heute nicht mehr möglich. Dazu ist unsere Gesellschaft zu vernetzt.“
Der 9. Internationale Kongress für Psychotherapie und Seelsorge mit rund 900 Teilnehmern fand von Mittwoch bis Samstag in Würzburg unter dem Thema „Das Fremde – in mir, in dir, in Gott“ statt. Veranstalter des Kongresses ist der Verein „Akademie für Psychotherapie und Seelsorge“ (APS) aus Bad Homburg. Die Akademie sieht ihre Aufgabe nach eigenen Angaben darin, Begegnungen zwischen Psychotherapie und christlicher Seelsorge in Wissenschaft und Praxis zu fördern. Sie möchte durch ihre Arbeit dazu beitragen, Sinn- und Werteorientierung in psychotherapeutisches sowie therapeutisches Wissen und therapeutische Methodik in seelsorgliches Denken und Handeln zu integrieren. Ziel ist, durch Austausch und gemeinsame Arbeit unter Therapeuten und Seelsorgern eine qualitative Verbesserung der Beratung und Behandlung von Ratsuchenden in beiden Fachgebieten zu erreichen. (pro)
Von: mb