Neigen Christen dazu, es sich in ihren Gemeinden zu bequem zu machen? Ja, findet der Leiter des Netzwerks für Frieden und Versöhnung der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Johannes Reimer. Viele Gottesdienste glichen einem „spirituellen McDonald‘s“: „Wir fahren sonntags hin um zu essen. Dann verschwinden wir und verdauen eine Woche lang“, kritisierte er auf dem GemeindeFerienFestival Spring in Willingen (Sauerland).
Dabei seien Christen dazu aufgefordert, sich in ihrem Umfeld aktiv für Versöhnung einzusetzen. „Die Christen und Gemeinden wären gut beraten, wenn sie gerade im Jahr der Reformation das Wort der Versöhnung so hochhalten wie nie zuvor“, sagte er. Evangelische Landes- und Freikirchen sollten in ihren Städten als Orte der Mediation und Aussöhnung bekannt sein. Kirchen könnten beispielsweise friedenspädagogische Kurse für Kindergärten und Schulen anbieten, schlug er vor. In Städten wie Fulda gäbe es bereits Projekte, bei denen Rentner als Großmütter und -väter an Schulen und Kitas vermittelt würden: „Sobald der Opa auftaucht, hören die Prügeleien auf“, berichtete Reimer. Die Friedens- und Versöhnungsarbeit sei eines der wichtigsten Instrumente beim Gemeindeaufbau. Auch wenn in Deutschland Frieden herrsche, gebe es genug Konfliktfelder, um hier als Christ aktiv zu werden.
Vermittlung in Indonesien
Auch international will sich die WEA mit dem im September 2016 gegründete Netzwerk für Versöhnung einsetzen. So habe es beispielsweise in der Türkei eine Friedenskonferenz mit 20 nordamerikanischen Christen und 20 Muslimen gegeben. Während die Muslime sich über die Kreuzzüge und den Irak-Krieg beschwerten, kritisierten die Amerikaner den sogenannten Islamischen Staat (IS). Am Ende der Konferenz hätten beide Parteien um Entschuldigung gebeten.
Reimer setzt sich seit Jahren für die christliche Friedensarbeit ein und berichtete von Erlebnissen aus Kolumbien, Pakistan und Ruanda. Einer der berühmtesten christlichen Prediger Indonesiens sei früher Muslim gewesen. Er sei von einem Christen um Vergebung gebeten worden, obwohl die Christen Indonesiens von vielen Muslimen verfolgt werden. Über zwei Jahre habe jener Christ ihn immer wieder zum Tee eingeladen. Heute leiteten beide das christliche Missionswerk I.S.L.A.M. – I sincerely love all Muslims (Ich liebe ernsthaft alle Muslime).
Christen tendierten dazu, den Einsatz für Versöhnung an den Staat zu delegieren. Sie hätten aber einen klaren biblischen Auftrag, sich für den Frieden einzusetzen. „Friedensstifter sind Menschen, die den Dienst der Mediation in Gesellschaften voller Konflikte auf sich nehmen, um der Welt zu zeigen, dass es einen Friedefürst gibt.“ Für 2018 oder 2019 will die WEA ein „Jahr des Friedens und der Versöhnung“ mit zahlreichen Aktionen ausrufen. „Frieden steht im Zentrum dessen, was Christus in der Welt will“, ist Reimer sicher. „Man kann nicht Gott von ganzem Herzen lieben, und seinen nächsten verachten“ (pro)
Von: pro