Auch Christen tragen Kopftuch

Mit Kopftuch, Burka und Burkini setzt sich eine Sonderausstellung im Jüdischen Museum in Berlin auseinander. Neben provokanter Kunst zeigt sie vor allem: Die religiöse Verhüllung ist kein rein muslimisches Phänomen. Sie ist Christen näher als gedacht.
Von Anna Lutz
Eine Frau bedeckt mit Perücken: „Cherchez la Femme“ im Jüdischen Museum in Berlin zeigt religiöse Kopfbedeckungen in Juden-, Christentum und Islam

Kopftuchstreit, Burkadebatte, Burkiniverbot – wenn heute über die religiöse Kopfbedeckung gestritten wird, dann immer mit Bezug auf den Islam. Nun hat das Jüdische Museum in Berlin eine Sonderausstellung mit dem Titel „Cherchez la Femme“ eröffnet, die zeigt: Auch fromme Juden und Christen folgen teils strengen Bekleidungsregeln. Ein Dreiklang von Bildern inmitten der 60 gezeigten Objekte und Installationen macht das besonders deutlich. Diese Bilder zeigen Frauen am Strand. Jüdische Frauen mit Baskenmützen ähnelnden Hüten zwischen ihren Kindern. Eine Gruppe amischer Frauen mit weißen Hauben. Und Ordensschwestern mit schwarzen Schleiern, von denen eine ihren Fuß vorsichtig ins Wasser hält.

Evangelikaler Burkini

Wer durch die Ausstellung schlendert, den verfolgen die Blicke von Männern. Augenpaare schauen von Flachbildschirmen an den Wänden herunter auf die Besucher und auch auf eine Installation, die die Silouette einer Frau zeigt, umhüllt nur von Haarteilen und Perücken. Sie blicken auch auf den „Culotte Swimmer“, das evangelikale Pendant zum Burkini, ein Schwimmdress, gemacht von amerikanischen Christen. Das blau-grüne Modell bedeckt Schultern und Oberschenkel und sitzt zudem locker am Körper. Laut den Designern soll das Gesicht bei dieser Bademode im Vordergrund stehen und nicht die Figur. Ein Video zeigt eine Frau, die sich nach und nach aus ihrer muslimischen Verhüllung befreit – nur um am Ende noch immer gesichtslos zu sein, weil ein Tuch ihren Kopf verhüllt. Gleich daneben erklärt eine hübsche junge Muslima in einem Youtube-Film, wie sie ihr Kopftuch bindet.

Jüdische Frauen am Strand Foto: Federica Valabrega/Jüdisches Museum
Jüdische Frauen am Strand

Der Kuratorin Miriam Goldmann geht es mit ihrer Zusammenstellung aber nicht nur darum, Kuriositäten aufzuzeigen und Kunst zu präsentieren. Sie will auch Wissen über den Ursprung religiöser Kopfbedeckung vermitteln. So werfen Beamer wichtige Passagen aus Neuem und Altem Testament, dem Talmud und dem Koran zum Thema Bedeckung des Kopfes an die Wand des Museums.

Modelle zeigen Niqab, Burka und Tschador und erklären die Unterschiede zwischen den islamischen Verhüllungen. Zu sehen sind auch typisch jüdische Kopfbedeckungen. Für Außenstehende sicher am kuriosesten: Die sogenannten Scheitel, jiddisch für Perücken, in unterschiedlichen Längen und Schnitten. Bis heute diskutieren Rabbiner darüber, ob eine solche religiöse Kopfbedeckung zulässig ist, weil sie dem natürlichen Haar so ähnelt. Durchgesetzt hat sie sich allemal.

Mode statt Glaube

Wie sehr sich die religiöse Kopfbedeckung aber in unser aller Alltag, seien wir gläubig oder Atheisten, eingefunden hat, zeigt das Beispiel des Brautschleiers. Was für viele Tradition ist, entstammt dem christlichen Glauben. Ursprünglich zeigte der Schleier Ehrfurcht vor Gott beim Gebet an. Wer aber in Weiß und in der Kirche heiratet, der trägt das oft reich verzierte Tüllteil doch eher aus modischen Gründen.

„Cherchez la Femme“ ist noch bis Juli zu sehen. Die Sonderausstellung zählt sicher nicht zu den größten und wichtigsten des Jüdischen Museums. Dennoch dient ein Besuch der Horizonterweiterung. Denn wer zum Beispiel in Berlin durch Neukölln spaziert, und dort der ein oder anderen Tschador-Trägerin begegnet, der darf sich durchaus fragen, welche Wurzeln religiöse Kleidungsvorschriften und Kopfbedeckungen auch in der eigenen religiösen und kulturellen Ideenwelt haben. (pro)

Von: al

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