Der Geruch von frischem Laugengebäck, ein flimmernder Beamer und poppige Musik begrüßen die Jugendlichen, als sie zur Tür des Jugendzentrums „K11“ der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar hereinkommen. Nach und nach füllt sich der Raum, die Gespräche werden lauter und der Beamer wird in Bereitschaft versetzt. Pünktlich 18:30 Uhr schaltete sich am vergangenen Donnerstag die Gruppe von Jugendlichen per Livestream zur zentralen „Jesus House“-Veranstaltung in Schwäbisch Gmünd dazu. Musik, Interviews, Style-Voting und Predigt stehen auf dem Programm der überkonfessionellen Missionsveranstaltung für junge Leute.
„Neu – du wirst frei.“ So lautet das Thema des Abends. Die Band „Staryend“ spielt dazu passende Lieder. Interviews und ein Style-Voting stehen auch unter dem Motto. „Vielleicht schaust du dein Leben an und denkst dir, es ist irgendwie heil. Aber es gibt in unserem Leben auch Dinge, die wir gerne neu machen wollen“, bringt der Moderator und Prediger Kai Günther die Jugendlichen zum Nachdenken. Vor der Predigt sehen die Jugendlichen ein kurzes Video, in dem „Jesus House“ mehrere Teens und junge Erwachsene fragt, was sie gerne neu hätten. Sei es ein gebrochener Klodeckel, eine kaputtes Auto oder glatte Haare – jeder Befragte hat etwas, das er gerne „auffrisiert“ haben möchte. „Aber ich glaube, dass es was gibt, das noch tiefer greift. Wir können auch innerlich neu werden – durch Jesus“, leitet die „Jesus House“-Moderatorin Stefanie Weber in Schwäbisch Gmünd schließlich zur Predigt über.
„Gott hilft dir – selbst wenn du einer von vielen bist“
„Brot kann schimmeln, aber was kannst du? Dass es dich gibt, ist nur ein Unfall!“ Provokativ führt Günther in der Predigt den Jugendlichen vor Augen, wie Kommentare oder Situationen die Gewissheit von Menschen zerstören können, dass sie wertvoll sind. Und zurück bleiben Scherben. Um dieses Bild eindrücklicher vor Augen zu führen, zerbricht er mit einem Hammer Teller. Und wieder: Zurück bleiben Scherben.
Die Konfirmandinnen Xenia (14) und Nele (13) sind zum ersten Mal bei „Jesus House“ hier in Wetzlar mit dabei und sind sich einig: Es gibt „auf jeden Fall“ Punkte in ihrem Leben, wo sie sich zerbrochen fühlen. „Es gibt Personen und Umstände, die verletzen. Dinge, die peinlich sind oder die wir nicht schaffen loszuwerden“, sagt Günther in seiner Predigt – da stimmen Xenia und Nele zu, das kennen sie auch.
Günther zieht auf der Bühne einen Teller hervor, einst Scherben. Der Teller ist wieder „neu“, dank einer japanischen Goldflickerei. Die Mischung aus Kleber, Gold, Platin und Silber macht die ehemaligen Risse gut sichtbar und hebt den Wert des Tellers. Ein Bild dafür, was passiert, wenn Jesus jemanden innerlich heilt und Frieden gibt. Max (13) ist auch Konfirmand in Wetzlar. Er fasst die Predigt kurz zusammen: „Du hast ein Problem, kommst zu Gott und Gott hilft dir – selbst wenn du einer von vielen bist.“
Eine Entscheidung am Kreuz
„Vielleicht heute nicht so laut, so fröhlich und lebhaft wie gestern, vielleicht heute ernster.“ Mit dieser Aussage zur Stimmungslage in Schwäbisch Gmünd schließt Kai seine Predigt. Dem stimmt Ulrike Würth (45), Jugendmitarbeiterin der Kirchengemeinde und Hauptverantwortliche bei der Veranstaltung in Wetzlar, zu: „Das war eine Message, die war jetzt nicht ganz einfach. Wenn man so über Scherben nachdenkt, dann kann das manchmal weh tun.“ Sie bemerkte, dass die Jugendlichen während der Predigt unruhiger waren als am Tag zuvor. Das habe womöglich daran gelegen, dass die Predigt „nicht so leicht verdaulich“, sondern ziemlich tiefgründig war.
Wer möchte, kann am Ende auf einem Zettel mit Datum seine Entscheidung für den Glauben fest machen: Ich will mit Jesus gehen, ich will ihm meine Scherben geben. Die Zettel können dann an einem Kreuz befestigt werden – sowohl in Schwäbisch Gmünd, als auch bei der Übertragung in Wetzlar. „Wir haben jetzt definitiv mehr Zettel da hängen als vorher, und auch heute sind wieder Zettel dazugekommen“, sagt Würth. Doch sie und ihre Mitarbeiter sind sich einig: Das Ziel sind keine großen Zahlen an Zetteln oder Personen. „Mein Ziel ist es zu säen, zu säen, zu säen. Und die größte Freude ist es, wenn wir sehen, da wächst was“, sagt Würth.
Ziel von „Jesus House“ ist es, sich mit Fragen des Lebens auseinanderzusetzen, sowie über Gott und den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen. Von den Veranstaltern ist das Event als Missionsveranstaltung gedacht. Für die Übertragung in Wetzlar legte Würth den Fokus auf Konfirmanden zwischen 13 und 17 Jahren. Sie sieht „Jesus House“ als gute Ergänzung zum Konfirmationsunterricht. Die Teens kennen die Geschichten teilweise schon. Bei „Jesus House“ können die Konfirmanden aus einer anderen Perspektive und in einem anderem Kontext darüber nachdenken.
750 Jugendgruppen aus Europa sind dabei
Die meisten Gesichter, die Würth bei „Jesus House“ trifft, sind ihr nicht fremd. Doch gibt es weder bei den Teens, noch bei dem Organisationsteam eine „Standard-Besetzung“. Jeden Tag tauchen neue Jugendliche auf, jeden Tag gibt es andere Unterstützer hinter der Theke im Bistro. Die ehemaligen Konfirmandinnen Ursula und Vera halfen am Donnerstag im Bistro mit. Die beiden 18-jährigen Abiturientinnen entsprechen nicht mehr der gesteckten Zielgruppe. Dies habe man zum Teil an der Predigt gemerkt, stellt Ursula fest. Doch sei es auch für sie sehr interessant gewesen.
„Jesus House“ gibt es seit 1998. Die Evangelische Kirchengemeinde Wetzlar war in vergangenen Jahren mehrmals mit eigenen Veranstaltungen oder mit einer Übertragung live dabei. Insgesamt dauert das Jugendevent sechs Wochen, gestaffelt nach verschiedenen Altersgruppen. Jugendgruppen in ganz Europa konnten sich in die Übertragung der beiden Hauptveranstaltungsorte Schwäbisch Gmünd und Wien einklinken. Parallel dazu finden bis Ende dieser Woche auch lokale Live-Veranstaltung von „Jesus House“ statt. Insgesamt beteiligten sich rund 750 Jugendgruppen an mehr als 250 Orten in Deutschland und Nachbarländern daran. Der gemeinnützige Verein proChrist organisiert das Jugendevent und wird dabei von zehn christlichen Jugendorganisationen als Partner unterstützt. (pro)
Von: csc