Eine gemeinsame Veranstaltung unter dem Titel „Christenverfolgung – Betroffene berichten“ des Christlichen Medienverbundes KEP, der Evangelischen Allianz Wetzlar, des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU Lahn-Dill sowie ERF Medien am Sonntag mit mehr als 100 Besuchern in Wetzlar hat den Menschen eine Stimme gegeben, die wegen ihres christlichen Glaubens benachteiligt werden oder Verfolgung erleiden.
Nach Schätzungen von Menschenrechtsexperten werden mehr als 100 Millionen Christen weltweit verfolgt oder diskriminiert. Das Hilfswerk Open Doors geht in seinem aktuellen Weltverfolgungsindex sogar davon aus, dass im Jahr 2016 etwa 200 Millionen Christen weltweit wegen ihres Glaubens drangsaliert wurden oder unter Vertreibung, Gewalt und Terror leiden mussten.
Der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer mahnte zur Solidarität mit den verfolgten Christen weltweit, die aufgrund ihres Glaubens oder des Übertritts zum Christentum bedroht, gefoltert und „teilweise gekreuzigt werden von den Schlächtern des IS oder Boko Haram“. Irmer richtete einen Appell an die islamische Welt, nicht mehr diejenigen mit dem Tode zu bedrohen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, und forderte Respekt und freie Religionsausübung in diesen Ländern für alle Religionen.
Der Politiker drückte seine Hochachtung vor denen aus, die selbst unter Lebensgefahr zu ihrem christlichen Glauben stünden. „Ihr seid nicht vergessen!“, sagte Irmer. „Religionsfreiheit ist ein Thema, das uns alle angehen muss, egal, welcher Religion ein Mensch nachgeht“, erklärte er. Der Unionspolitiker forderte, dass sich islamische Staaten mehr um die vielen muslimischen Flüchtlinge kümmern.
Unrecht ansprechen
Der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, Christoph Irion, verwies auf das elementare Recht der freien Religionsausübung. „Artikel 18 der UN-Charta grantiert jedem Menschen das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“, sagte der Journalist, der die Veranstaltung moderierte. Dies schließe auch die Freiheit ein, seine Religion zu wechseln. „Es ist wichtig, den verfolgten Christen eine Stimme zu geben“, erklärte Irion und erinnerte daran, dass viele Christen in Deutschland während der Flüchtlingskrise den Ankommenden Nächstenliebe, aktive Hilfe und Aufmerksamkeit entgegengebracht hätten. Irion rief die Besucher dazu auf, sich für das Schicksal von Christen zu interessieren, sich zu informieren und für die verfolgten Glaubensgeschwister zu beten.
„Menschen, die nach christlichem Verständnis Hilfe brauchen, sind willkommen bei uns, aber wir müssen auch Grenzen ziehen. Insbesondere da, wo Unrecht getan wird, müssen wir das ansprechen“, sagte Irion.
Scharia in Nigeria
Emmanuel Ogbunwezeh, Nigerianer und Afrika-Referent der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt, hält den derzeitigen Konflikt in seinem Heimatland für überregional relevant. Islamische Staaten und islamistische Terrorgruppen versuchten gezielt, das Land zu destabilisieren. „Nigeria ist […] die zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas, nach Südafrika, und von herausragender Bedeutung für die Wirtschaft des afrikanischen Kontinents insgesamt“, erklärte Ogbunwezeh. Jeder sechste Afrikaner lebe in dem Land.
In dem bevölkerungsreichsten Land des Kontinents setzen sich islamistische Gruppen wie Boko Haram für die Einführung der islamischen Scharia und das Verbot westlicher Bildung ein. Das Land werde „zwangsislamisiert“. Dies habe wiederholt zu blutigen Auseinandersetzungen mit Christen oder gemäßigten Muslimen geführt. Schätzungen gehen für die Zeit zwischen 1999 und 2004 von mehreren tausend Todesopfern aus.
Nach Ogbunwezehs Einschätzung hat Nigeria enormen politischen Einfluss in der Region, etwa in Form von nigerianischen Friedenstruppen in zahlreichen Konfliktregionen. Dauerhafte politische Instabilität in Nigeria, wie auch die wirtschaftlichen Krisen als Folge darauf, hätten daher überproportionale Auswirkungen für das restliche Afrika. „Ein islamistisch dominiertes Gesamt-Nigeria, das seine wirtschaftliche und politische Vormachtstellung in Afrika im Sinne der Islamisierung ausnutzt, könnte mit Fug und Recht als Katastrophe für den ganzen Kontinent betrachtet werden“, sagte der Menschenrechtler.
Iran – Mullahs und Religionspolizei
Christen aus dem Iran, deren Name aus Furcht vor Verfolgung der Familien daheim nicht genannt werden darf, berichteten, dass man sie in ihrer Heimat als „Unreine“ beschimpft habe, als sie, damals noch Muslime, Interesse am Christentum erkennen ließen. Christen würden in dem Land als Menschen zweiter Klasse gelten.
Ein Ehepaar, Nader und Fariba, musste getrennt voneinander aus dem Iran fliehen. Bei einem Urlaub in der Türkei hatte der Unternehmer sich für das Christentum interessiert. Als sein Vater das bemerkte, habe der seine Wohung nach einer Bibel durchsucht, und dafür gesogt, dass zwei Mullahs und die Religionspolizei auf ihn aufmerksam wurden. Nachdem er von der Religionspolizei verschleppt und gefoltert wurde, floh Nader in die Türkei. Seine Frau, die versuchte, unter Repressalien ihr Geschäft weiterzuführen, musste er samt Kind zurücklassen. Nach zwei Jahren in Istanbul gelang es dem jungen Mann, seine Familie in die Türkei nachzuholen. Seit 2014 lebt die Familie in Hessen und geht in eine christliche Gemeinde. Sohn Hussein hat seinen alten Vornamen abgelegt und trägt heute einen biblischen.
Mord und Misshandlung erlebt
Eine junge Irakerin, sie ist katholische Christin und war einst in ihrer Heimat Mitglied der Volleyball-Nationalmannschaft, berichtet von ihrer Flucht aus dem vom IS besetzen Mossul. Schon vor der Belagerung der Stadt durch die Terroristen seien Christen dort benachteiligt worden. Im Ausweis sei vermerkt gewesen, wer Christ ist. Bei der Ausweisung aus der Stadt auf Anordnung des IS hat man der jungen Frau und der Familie alle Wertgegenstände an einem Checkpoint abgenommen.
Zwei Korridore führten damals aus der Stadt. Die Frau wurde Zeugin, wie IS-Terroristen die Familie in der Autoschlage vor ihnen erschossen und Mädchen von IS-Terroristen enführt und misshandelt wurden. Hals über Kopf gelang der jungen Frau die Flucht ins Kurdengebiet im Norden des Irak. Von dort gelangte sie schließlich nach Deutschland.
Aber auch hier war sie Repressalien ausgesetzt. In der Flüchtlingsunterkunft wurde sie von einem Übersetzer, der ist Kurde, unter Druck gesetzt. Heute lebt und arbeitet die junge Frau, deren Name nicht genannt werden darf, in einer Stadt in den neuen Bundesländern. Weil sie auf der Flucht alle Unterlagen und Diplome zurücklassen musste, studiert die Informatikerin hier noch einmal. (pro)
Von: nob