„Sagen Sie mal Ja zum Leben!“

In der Tragikomödie „Irgendwann ist auch mal gut“ versucht ein junger Mann seine Eltern davon abzubringen, sich planvoll das Leben zu nehmen. Die Handlung und die Dialoge drehen sich humorvoll und tiefsinnig um Krankheit, Tod, Leben und Sterben. Auch die Frage nach Gott wird gestellt. Die Antwort bleibt dem Zuschauer überlassen. Eine Filmkritik von Jonathan Steinert
Von PRO
Fabian Hinrichs hat als Bestatter Karsten Heller kaum noch einen Nerv für seine Arbeit, als er erfährt, dass sich seine Eltern das Leben nehmen wollen

Ausgerechnet zum Weihnachtsessen eröffnen die Eltern von Karsten Heller ihrem Sohn, dass sie sich umbringen möchten. Der Vater, weil er schwer an Parkinson erkrankt ist und seit Jahren Medikamente nimmt: „Ich kenne das Ende vom Lied und es gefällt mir nicht“, sagt er seinem Sohn. Die Mutter will ihren Mann, mit dem sie seit 52 Jahren verheiratet ist, nicht alleine in den Tod gehen lassen und statt zurückzubleiben lieber mit ihm sterben – auch wenn sie kerngesund ist. Karsten Heller versucht verzweifelt, seine Eltern von ihrem Vorhaben abzubringen. Ihm bleiben dafür nur fünf Tage, denn der Jahreswechsel erscheint Theodor und Marion Heller als ein passender Zeitpunkt, um aus dem Leben zu scheiden.

Die Tragikomödie „Irgendwann ist auch mal gut“ bewegt sich auf humorvolle und tiefsinnige Weise an der Grenze zwischen Leben und Tod. Premiere hatte der Film im Januar auf dem Filmfestival des Max-Ophüls-Preises (mit einer Auszeichnung für Maresi Riegner als bester Schauspielnachwuchs), am Donnerstagabend wird er erstmals im Fernsehen ausgestrahlt und ist bis 13. September in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Karsten Heller, gespielt von Fabian Hinrichs, ist durch die Pläne seiner Eltern (Franziska Walser, Michael Wittenborn) nicht nur privat mit dem Tod konfrontiert, sondern hat als Inhaber eines kleinen Bestattungsunternehmens auch beruflich täglich damit zu tun. Während der Weihnachtstage will er sich und seiner Mitarbeiterin eigentlich nur wenig Pause gönnen, denn er weiß: In der Zeit wird viel gestorben, wegen zu fettigem Essen, Streit mit Verwandten, Stress – oder eben auch Selbstmord. Dass einen solchen auch seine Eltern planen, bringt ihn völlig von der Rolle. Zumal es ohnehin gerade nicht so gut bei ihm läuft: Seine Frau lässt sich von ihm scheiden und will das gemeinsame Haus möglichst noch vor Jahresende verkaufen, weshalb er momentan in seinem Bestattungsinstitut haust.

Argumente für das Leben

In den arbeitsreichen Tagen nach Weihnachten kommt Heller dann also kaum zum Arbeiten, weil er allerhand Privates regeln muss und will. Die verbleibenden Tage bis zum bevorstehenden Ableben seiner Eltern gibt er als ihr einziges Kind alles, um ihren Suizid zu verhindern: Ruft Polizei und Notarzt, als sie nicht ans Telefon gehen; lädt Freunde der Eltern ein, um sie umzustimmen; steigt nachts in ihr Haus ein, um mögliche Selbstmord-Werkzeuge – von Tabletten über Haushaltschemikalien und Küchenmesser bis hin zu Bolzenschneider und Sense – wegzuschaffen. Er will sie kurzfristig entmündigen und einweisen lassen, damit sie sich nichts antun. Und als er mit Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs selbst ins Krankenhaus kommt, hält ihn das nicht lange im Bett: Er flieht ins elterliche Haus, wo er sich mit ihnen im Keller einsperrt. Wenigstens sollen sie länger leben als er.

Dabei ist Heller die ganze Zeit ein bisschen verpeilt und ein wenig tollpatschig – wobei nicht klar ist, ob das ein genereller Wesenszug von ihm ist oder der Situation geschuldet –, aber darin so liebenswürdig, dass man ihm als Zuschauer nur wünschen kann, sein Vorhaben möge gelingen. Manche Slapstickeinlage wirkt etwas überflüssig und gewollt, aber das tut dem Film keinen Abbruch. Vor allem die Dialoge werfen immer wieder inhaltliche Anker aus und zeigen, dass der Film nicht nur an der Oberfläche einer skurrilen Geschichte dahinplätschern will.

Karsten Heller will in seinen Eltern noch einmal die Lebensfreude wecken Foto: ZDF/Anne Bolick
Karsten Heller will in seinen Eltern noch einmal die Lebensfreude wecken

Die Rechtsanwältin von Hellers Frau (Julia Richter), mit der er eigentlich wegen der anstehenden Scheidung zu tun hat, wird ihm in der Suizid-Sache seiner Eltern zur juristischen und menschlichen Beraterin. Und ja, daraus könnte wahrscheinlich mehr werden, wenn der Film länger ginge. Zu den Bemühungen Hellers um seine Eltern stellt sie fest: „Sie sind zu destruktiv. Sie greifen immer nur die Argumente der Gegenseite an, anstatt selber welche zu haben. … Sie sagen immer nur Nein zum Tod. Sagen Sie mal Ja zum Leben! … Warum stehen Sie jeden Morgen auf und bleiben nicht liegen und sterben?“ Ja, was sind eigentlich die Argumente für das Leben? Da muss Heller nachdenken. Die Urlaube, das gemeinsame Musizieren, die Wochenenden in der Schwarzwald-Hütte kommen ihm dann schließlich in den Sinn – und damit eine neue Idee, wie er seine Eltern am Leben halten könnte.

Die seltsame Frage nach Gott

Zweimal fragen Bandoneonspieler – Hellers Vater ist Instrumentenbauer – mit Blick auf den geplanten Suizid: „Und was ist mit Gott?“ Die Frage kommt beide Male völlig unvermittelt und wird auch nicht beantwortet. Einmal geht es im Geplauder weiter: „Wir sind so alt, uns kann niemand mehr etwas sagen.“ – „Außer Gott.“ Der Film geht darüber hinweg. Außer dass Marion Heller in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten ist, erzählt er auch sonst nichts über die religiösen Ansichten der Figuren. Für den Zuschauer ist der Bezug zu Gott, gerade, weil er so gut wie ohne Kontext geschieht, wie ein Nagel in der glatten Wand, an dem man hängen bleibt. Ja, welche Rolle spielt Gott eigentlich im Leben und im Sterben? Kann ich einfach so entscheiden, wann ich aus dem Leben gehe? Oder hat da jemand anderes noch ein Wörtchen mitzureden?

Heller sucht auch Rat bei einem Seelsorger des Sozialen Notdienstes, der eher als Karikatur seiner Zunft gezeigt wird. Mehr als eine Broschüre „Suizid im Alter“ hat er nicht anzubieten. Als Seelsorger ist es offenbar nicht so sein Ding, eine christliche Perspektive zu eröffnen. Sein Auftritt wirkt so daneben, dass auch das wie ein Haken ist, an dem sich Fragen verfangen: Was hätte man von einem Seelsorger erwartet? Welche vielleicht auch geistlich fundierten Hilfen hätte er geben können?

Im Verlauf der Handlung lässt Heller erkennen, dass er den Suizidwunsch seines Vaters zwar nicht unterstützt, aber dessen Beweggründe zumindest verstehen kann, so wackelig, wie Theodor Heller geworden ist: Er kann kein Glas mehr zum Mund führen, nicht allein auf Toilette gehen, geschweige denn sich waschen. Doch dass sich seine Mutter ebenfalls das Leben nehmen will, dafür hat er kein Verständnis. Als sich Marion Heller eines Abends bei einer Freundin darüber aufregt, dass ihr Sohn sie am Suizid hindern will, erzählt sie, er habe schon als kleiner Junge immer alles bestimmen wollen. Er sei ausgetickt, „wenn ich bloß einkaufen war“, sagt sie. Ihre Freundin erwidert: „Du willst aber nicht nur einkaufen gehen.“ Ein Satz, der sitzt. Der deutlich macht, dass die Entscheidung über Leben und Tod nicht einfach eine beliebige ist, die man so oder so treffen kann. Als seine Mutter sich schließlich bei ihrem Sohn beklagt: „Was weißt du schon über das Leben?“, sagt der: „Ich weiß, dass man sich nicht umbringt, wenn man Leute um sich hat, die einen lieben.“

„Irgendwann ist auch mal gut“ ist ein unterhaltsamer, berührender und geistreicher Film mit tollen Schauspielern und origineller Geschichte. Er schafft es, außerordentlich komplexe und ethisch heiße Fragen rund um das Leben, den Tod, um Krankheit, Suizid und Sterben ernsthaft und humorvoll zugleich aufzugreifen, ohne dabei ins Moralisieren zu geraten oder ins Flapsig-Makabere abzugleiten.

„Irgendwann ist auch mal gut“, 93 Minuten, am 23. Juli, 23.15 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek bis 13. September. In einer frühern Version des Artikels hieß es, die Erstausstrahlung sei am 19. Juli gewesen, was nicht zutrifft.

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