Schwarz, Frau, Sklavin, aber mit Gott an der Seite: Harriet „Moses“ Tubman

In den vergangenen Wochen wurden in den USA Statuen von Männern umgeworfen, die für die Sklaverei gekämpft hatten. Es gibt aber auch Statuen für Harriet Tubman in Amerika, die würde wohl niemand umwerfen wollen. Die tiefgläubige Frau, die gegen die Sklaverei aufstand, hat nun erfreulicherweise auch ein bemerkenswertes filmisches Denkmal bekommen: „Harriet“ startete diese Woche in Deutschland. Eine Filmkritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Eine starke, schwarze Frau, die sich und andere mit Gottes Hilfe aus der Sklaverei befreite: Harriet Tubman, genannt „Moses“, im sehenswerten Kinofilm „Harriet – Der Weg in die Freiheit“

Nach einer Umfrage gehört Harriet Tubman in Amerika zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Geschichte. Und in Europa muss man schon etwas mehr ein Geschichts-Nerd sein, um diesen Namen gleich einordnen zu können. Dabei war Tubman eine der wichtigsten Kämpferinnen gegen die Sklaverei. Selbst als Sklavin aufgewachsen, wurde der Drang nach Freiheit irgendwann zu groß, und sie machte sich auf den beschwerlichen Weg in die Freiheit. Es gelang ihr. Mit Gottes Hilfe.

Nachdem Tubman 1849 die Flucht von der Farm in Dorchester County im US-Bundesstaat Maryland gelungen war, blieb sie nicht auf ihrem Triumph sitzen, sondern kehrte zurück in die Hölle und holte Freunde und Verwandte aus der Sklaverei. Sie wurde zu einer wichtigen Säule des „Underground Railroad“-Netzwerkes, in dem ehemalige Sklaven und Sklavereigegner (auch weiße) für die Abschaffung der Sklaverei kämpften und Sklaven bei ihrer Flucht halfen. Insgesamt führte Tubman 70 Personen in die Freiheit. Später kämpfte der weibliche „Moses“ während des Bürgerkriegs in der Unions-Armee gegen die Konföderierten.

Nach Tubman sind in den USA Schulen und Museen benannt, es gibt eine Briefmarke mit ihrem Konterfei und zahlreiche Denkmäler. Die Regierung von Präsident Barack Obama wollte eine neue 20-Dollar-Note mit ihrem Bildnis schaffen, doch die Trump-Administration stoppte dieses Vorhaben fürs erste – angeblich aus technischen Gründen. Tubman wäre die erste Frau und die erste schwarze Person gewesen, die in den USA auf einer Banknote zu sehen ist. Während des Zweiten Weltkriegs wurde ein Frachter der US-Marine nach Tubman benannt – noch nie gab es zuvor eine Schwarze, der diese Ehre zuteil wurde.

Oscar-Nominierungen

All das macht es noch unverständlicher, warum nicht längst Tubmans Leben verfilmt wurde. Es gab lediglich in den Siebzigerjahren eine Miniserie namens „A Woman Called Moses“. Doch nun hat die Regisseurin Kasi Lemmons endlich die Geschichte der Frau nacherzählt, die sich in all ihren Kämpfen, ihrem Waten durch Flüsse und dem Rennen durch Wälder auf Gott verließ. Lesen konnte Tubman nicht, auch keine Landkarte. Trotz Warnungen ihrer Genossen im „Underground Railroad“ führte sie trotzdem zielsicher Sklaven in die Freiheit – durch Wälder, Flüsse und an schießwütigen weißen Farmern vorbei.

Die schwarze Regisseurin Lemmons war zunächst selbst Schauspielerin, sie war etwa an der Seite von Anthony Hopkins und Jodie Foster in „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) zu sehen. Im Jahr 2013 führte sie für den Film „Black Nativity“ (2013) mit Forest Whitaker Regie, in dem es auch um den Glauben geht. „Harriet – Der Weg in die Freiheit“ kam bereits im November 2019 in den USA in die Kinos, nun ist er auch in Deutschland zu sehen. Die Hauptdarstellerin, die Britin Cynthia Erivo, war zu Recht für den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle nominiert. Auch in den weiteren Rollen sind beeindruckende Schauspielleistungen zu sehen, hervorzuheben sind etwa Leslie Odom Jr. als Bürgerrechtler William Still und Vondie Curtis-Hall als Pastor Green, der hin und her gerissen ist zwischen der biblisch geforderten Duldsamkeit einerseits und dem Wunsch, Sklaven zu helfen andererseits. Den Titelsong „Stand Up“ komponierte die Hauptdarstellerin Erivo selbst; auch dafür war sie für einen Oscar nominiert.

Ein Hauch „Black Panthers“

Wie der biblische Mose bringt Tubman an einer Stelle ihr „Volk“ auch durchs Wasser. Und wie bei Mose ist dieses Volk eher mürrisch und enttäuscht: War es in der Sklaverei nicht besser, als nun hier im Fluss zu ersaufen? Auch das müssen die Sklaven lernen, die Tubman befreit, und das wird im Film meisterlich dargestellt: Wer frei sein will, muss das Alte aufgeben. So wird Tubmans Kampfname, unter dem sie auch steckbrieflich gesucht wird: Moses. Wenn Tubman als „Schaffnerin“ für das „Underground Railroad“-Netzwerk arbeitet, etwa auf einem Schiff, das entflohene Sklaven in die Sicherheit des Nordens bringt, und sie ihre schwarze Matrosen-Mütze auf dem Kopf trägt, sieht sie für einen kurzen Moment – sicher nicht zufällig – auch mal wie eine Kämpferin der „Black Panthers“ der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts aus.

Wie modern der Film ist, wird in der vielleicht politischsten Szene zum Schluss deutlich: Tubman hat das Blatt gewendet, ihr alter „Master“, der sie wieder einfangen wollte, kniet nun vor ihrer geladenen Flinte, und Tubman sagt zu ihm, Gott habe ihr die Zukunft gezeigt. Nun eine stolze, freie, schwarze Frau, sagt sie in Richtung des Sklavenbesitzers: Du wirst sterben. Im Kampf. Für eine schlimme und falsche Idee, für die Sünde der Sklaverei. Sie sieht prophetisch den Sezessionskrieg voraus, nach dem nichts mehr so sein wird wie früher. Und dann sagt Tubman den Satz, der exemplarisch stehen könnte für unsere Zeit, und der derzeit aus den Kehlen unzähliger beleidigter Schwarzer in den USA donnert: „Jetzt ist unsere Zeit gekommen.“

Dieser Film, der in der ersten Hälfte noch ein wenig in Schwung kommen muss, dann aber wie eine Lokomotive marschiert, ist der richtige Film zur richtigen Zeit. Noch dazu feministisch, zeigt er doch eine der stärksten Frauen des 19. Jahrhunderts, die sich in ihrem Leben für die Frauenbewegung engagiert hat. Tubman war die erste schwarze Frau, die eine bewaffnete Militäroperation der USA anführte.

Platz im „Heiligenkalender“ der Episkopalkirche

Eine junge Frau, im 19. Jahrhundert, schwarz, noch dazu eine Sklavin, vielleicht kann man sich kaum eine Person mit schlechteren Voraussetzungen vorstellen, um in den Kampf für eine gesellschaftliche Veränderung, ja, gegen eine ganze Armee in den Kampf zu ziehen. All die Wunder, die Tubman erlebt und die Stärke, die sie als schwarze Frau zu dieser Zeit aufbringt, wären undenkbar gewesen ohne ihr festes Vertrauen auf Gott. In Träumen oder kurzen Visionen zeigt ihr Gott, wohin es geht, und warnt sie vor Gefahren. In einer Filmkritik des NDR heißt es entsprechend: „Landkarten braucht diese Frau nicht, weil Gott sie führt. (…) Es geht eher biblisch als naturalistisch zu in dieser Film-Biographie.“ Während ihrer gesamten Zeit als Fluchthelferin der „Underground Railroad“ ist weder Tubman jemals ergriffen noch einer der Sklaven eingefangen worden.

Der Quäker Thomas Garrett sagte damals über sie: „Ich kenne keine andere Person, egal welcher Hautfarbe, die so viel Vertrauen in die Stimme Gottes hatte.“ Dass es vor allem religiöse Gruppen waren, die in jener Zeit gegen Sklaverei aufstanden, darunter viele Quäker, thematisiert der Film indes nicht.

Tubman verstarb im Alter von etwa 93 Jahren am 10. März 1913. Im Kalender der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELCA) ist dieser Tag ein Gedenktag, und im „Heiligenkalender“ der amerikanischen Episkopalkirche ist Tubman für den 20. Juli vermerkt. Die letzten Worte dieser Frau, die sich und andere unter den Schutz Gottes stellte und wie Moses Menschen aus der Sklaverei in die Freiheit führte, lauteten: „Ich gehe und bereite einen Platz für euch.“

Von: Jörn Schumacher

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