Es war ausgerechnet US-Präsident Donald Trump, vor dem Bart Millard im vergangenen Jahr seinen Hit „I can only imagine“ performte. Der Sänger der christlichen Band MercyMe trat beim traditionellen National Prayer Breakfast in Washington auf, bei dem in der Regel auch das Staatsoberhaupt zugegen ist. Millard sang vor dem unter frommen Christen wohl umstrittendsten zeitgenössischen Politiker über den Himmel und wie es sich wohl anfühlen werde, eines Tages vor Gott zu stehen. Ob Trump den Song mag, wissen wir nicht, zumindest hörte er aufmerksam zu. Und vielleicht ist das ein schönes Bild dafür, was Millards Hit tatsächlich bewirkt hat: Er hat Fromme und Nichtfromme, Konservative und Progressive, Alte und Junge zugleich begeistert. Bis heute hat die Aufnahme dreifachen Platinstatus erreicht und gilt als der erfolgreichste christliche Song aller Zeiten.
Doch Millard sang nicht nur. In einer kurzen Anekdote erzählte er auch die Geschichte seines Vaters. Eines gewalttätigen Manns, der eines Tages Gott fand und sich von einem Monster in einen besten Freund verwandelte. Bekanntlich verkaufen sich Geschichten über Leid, das sich am Ende in Erfolg und Glück wandelt, besonders gut. Das hat nicht nur Hollywood, sondern auch die christliche Filmindustrie verstanden. An diesem Donnerstag läuft die Lebensgeschichte Millards, benannt nach seinem größten Hit „I can only imagine“ im Kino an.
Prügel, Hass und Musik
Darin erzählen die Regisseur-Brüder Andrew und Jon Erwin die Geschichte des jungen Millard, der als Kind immer wieder von seinem Vater verprügelt wird. Als der Junge eines Tages mit einem selbstgebastelten Kampfpilotenhelm nach Hause kommt, verbrennt der Vater die Bastelarbeit und ermahnt seinen Sohn, keine Kraft für Träume zu vergeuden. Stattdessen solle er sich in Dinge investieren, die realistisch sind, Geld einbringen und der Familie helfen, zu überleben. Die Mutter verlässt die Familie kurz darauf, Millard ist gezwungen, zu bleiben.
Als er heranwächst, beginnt er eine Baseball-Karriere, wird aber schon auf der Highschool jäh ausgebremst. Er bricht sich beide Fußgelenke. Den Sport muss er aufgeben und enttäuscht damit seinen tief verbitterten Vater, der selbst einst erfolgreich spielte. In der Highschool muss der Teenager sich nun zudem eine neue Beschäftigung suchen – er entdeckt ausgerechnet das Singen für sich. Auch wenn Mitschüler und Vater dafür vor allem Spott übrig haben, bekommt er schließlich die Hauptrolle in einem Schulmusical. So beginnt Millards Musikkarriere. Dank seiner Jugendliebe und Highschoolfreundin Shannon besucht der Teenager die sonntäglichen Gottesdienste der nahegelegenen Kirche – und wird der Star des dortigen Chors.
Millard muss sich seinen Ängsten stellen
Als er seinen Vater eines Sonntags zu einem seiner Auftritte einlädt und dieser sich verweigert, eskaliert die Situation zwischen den beiden Männern erneut. Der Vater schlägt mit einem Porzellanteller auf den Sohn ein, dieser verlässt wütend das Haus – und kehrt jahrelang nicht zurück. Gleich nach dem Auftritt in der Kirche reißt er aus und sucht sein Glück in der großen Stadt, findet eine Band und tingelt mit ihr durch die Vereinigten Staaten. Der Erfolg lässt auf sich warten – bis sich die Gruppe mit dem Namen MercyMe auf christliche Lobpreismusik spezialisiert. Die jungen Männer erkennen ihre eigentliche Stärke. Wäre da nicht das Trauma Millards, der die Gewalt, die ihm als Kind wiederfahren ist, verdrängt. Das hemmt ihn auf der Bühne, aber auch beim Songschreiben.
Er beschließt, sich seinen Ängsten zu stellen und kehrt nach Hause zurück. Dort findet er seinen Vater – glücklich aber totkrank. Wie sich herausstellt, hat dieser den letzten Chorauftritt seines Sohnes sehr wohl mitverfolgt. Und zwar im lokalen Radio. Die Predigt des Pfarrers im Anschluss hat ihn tief bewegt. Trauer über den baldigen Verlust des Vaters und Glück über dessen Lebenswandel kommen zusammen – und Millard ist schließlich bereit dazu, das Lied seines Lebens zu schreiben.
Ein toller Darsteller, eine platte Geschichte
Das Gute zuerst: J. Michael Finley spielt Bart Millard solide und beweist einige Sangesqualitäten. Wirklich beeindruckend aber ist der einstige Hollywood-Star Dennis Quaid in der Rolle des Vaters. Seine Wut ist ebenso glaubhaft wie seine Freundlichkeit, sein aus Hass verzerrtes Gesicht ebenso wie sein wohlwollendes Lächeln. Wer hätte gedacht, dass dieser ehemalige Superstar, der zuletzt eine kitschige Hundekomödie drehte, sich derart um Leib und Leben spielen kann? Quaid sorgt für große Kinomomente. Es liegt vor allem an ihm, dass die Vater-Sohn-Begegnung am Ende des Films wirklich bewegen kann. Hier holt die christliche Produktion die Zuschauer ab, hier können Christen wie Nichtchristen mitempfinden.
Das war es dann aber leider auch schon. Denn der Rest des Films ist nicht nur sehr vorhersehbar und folgt der klassischen Heldenerzählung Hollywoods. Er ist auch wenig glaubhaft. Warum zum Beispiel sieht der Manager der Band MercyMe, der ihnen dazu rät, Lobpreis-Musik zu machen, aus wie ein alternder Rockstar? Wieso geraten Jugendliche während eines ganz normalen Konzerts plötzlich in fromme Verzückung, wenn ein christliches Lied gespielt wird? Eine Szene zeigt MercyMe, damals noch als Rockband, bei einem kleinen Gig. Als alle Lieder gespielt sind, singt Millard ein christliches Lied. Plötzlich heben die Besucher ihre Hände zur Gebetshaltung, schließen entrückt die Augen und wenden ihr Gesicht dem Himmel zu. Das ist sogar für Kenner der christlichen Szene etwas zu viel. Nichtchristliche Kinobesucher dürfte es verstören.
Außerdem wirken die wichtigeren Nebencharaktere schattenhaft. Was wird aus der Mutter? Warum verliebt sich Shannon in Bart? Was hat es mit der Großmutter auf sich, die drei Mal kurz auf der Bildfläche erscheint, die der Zuschauer aber nie wirklich kennenlernt?
„I can only imagine“ ist ein Film für Hauskreis-Abende und Gemeindecamps. Nicht aber für die große Leinwand. Da mag das Lied noch so schön sein.
I can only imagine, USA 2017, 110 Minuten, Filmstart: 27. September
Von: Anna Lutz