Layla ist 18 und lebt in Amsterdam. Ihre Familie stammt ursprünglich aus Marokko, doch aufgewachsen ist Layla in der westlichen Kultur. Mehr und mehr sympathisiert sie mit dem Islam, wird immer strenger in dessen Ausführung und beginnt auch ihr Umfeld aufzufordern, es mit dem Islam ernster zu nehmen.
Der Film brilliert damit, das Leben aus der Sicht einer jungen Muslimin für den Zuschauer nachvollziehbar zu machen, die einerseits eine eigene Identität sucht, andererseits Halt in den strengen Regeln des Islam findet. Er thematisiert dabei auch die Vorurteile, die Muslime in westlichen Gesellschaften erfahren – besonders Frauen, die ein Kopftuch tragen und damit nach außen sichtbar als gläubige Muslima zu erkennen sind. Layla wird als Aktivistin für eine muslimische Gruppe tätig, veröffentlicht Filme im Internet und erstellt politische Flyer. Im Internet schaut sie sich regelmäßig Videos von Predigten, politischen Statements, aber auch von Selbstmordattentätern an. Ihre restliche Familie reagiert ablehnend, vor allem ihr Vater ist erschüttert über die Radikalisierung seiner Tochter.
Als Layla den jungen Abdel kennenlernt, erwächst in ihr einerseits der Wunsch nach einem heilen Familienleben; andererseits sieht sie die Möglichkeit, mit ihm ihrem Frust endlich effektiv auf politische Weise Luft machen zu können. Beides scheitert. Mit Abdel übersiedelt sie in ein nicht näher genanntes Land im Nahen Osten. Dort muss sie feststellen, dass der Status der Frau nicht dem entspricht, was sie aus den Niederlanden kennt. Die Männer vermeiden es sogar, ihr nur in die Augen zu schauen, geschweige denn, dass sie irgendetwas zu sagen hat. Abdel versucht vergeblich, ihr die Rolle als brave fürsorgliche Hausfrau in der Küche aufzubürden.
Ein Kampf aus Angst
Der Film versteht es, die Perspektive eines jungen Mädchens nachzuzeichnen, das im Islam eine Leitung für ihr Leben zu finden hofft. Aber offenbar besteht dieser Islam, den sie kennenlernt, vor allem aus der Angst, etwas falsch zu machen, die Regeln nicht vollständig zu befolgen. Der „Kampf“ der Gläubigen, die sie verehrt, wird nicht geistlich geführt, sondern mit echten Waffen. Und die Skepsis der westlichen Welt gegenüber diesem Islam wird als Hass interpretiert, und entfacht damit die Abwehrhaltung nur noch mehr. Es geht bei diesem Kampf nicht darum, andere Menschen von der Schönheit des Islam zu überzeugen, sondern die eigene Angst zu bekämpfen, zu versagen. Und deswegen wird dieser Kampf wohl nie ein fröhlicher sein, sondern immer in Verachtung und Bitterkeit münden. Sogar ihrer eigenen besten Schulfreundin, die bei der Radikalisierung nicht mitmachen will, muss Layla ins Gesicht sagen: „Wer sich dem Islam verweigert, muss getötet werden.“ Ihr Bruder, der sich ebenfalls der Radikalisierung nicht anschließen möchte, teilt Layla eine weise Erkenntnis mit: „Religion dreht sich nicht um Bärte. Mein Islam ist nicht politisch.“
Die im westlichen Europa aufgewachsene Frau kommt in dem islamischen Land sehr bald in Konflikt mit der patriarchalen Ordnung in der Gemeinschaft. Und schließlich muss sie lernen, dass der radikale „Kampf für den Islam“ auch sehr schnell in der eigenen Familie ankommen kann, wenn man sich auf ihn einlässt. Am Ende ist es – sehr eindrücklich – nur das tränenüberströmte Gesicht Laylas, das den Zuschauer im Kinosaal zurücklässt. In diesem Moment sitzt das Mädchen in einer Polizeistation, und man kann nur ahnen, was in ihrem Kopf vorgeht. Ob sie bereut, sich auf den radikalen Islam eingelassen zu haben? Vor allem aber ist es wohl die Ratlosigkeit darüber, was falsch gelaufen sein mag bei ihrem Versuch, gleichzeitig einen Glauben zu leben, der Gewalt propagiert, und ein friedvolles Familienleben zu führen.
„Layla M.“, eine niederländisch-belgisch-deutsche Produktion, 100 Minuten, Regie: Mijke de Jong, Kinostart: 12. April 2018
Von: Jörn Schumacher