Kritischer Themenfilm zu „Evangelikalen und Homosexualität“

Der Spielfilm „So auf Erden“, der am Mittwoch in der ARD läuft, durchleuchtet kritisch eine evangelikale Gemeinde in Stuttgart. Der Pastor entdeckt lange verdrängte homosexuelle Gefühle.
Von PRO
Edgar Selge spielt Pastor Klare im Spielfilm „So auf Erden“

Johannes Klare (Edgar Selge) ist charismatischer Prediger der freikirchlichen Gemeinde Der Weg in Stuttgart, die er gemeinsam mit seiner Frau Lydia (Franziska Walser) leitet. Sie nehmen den drogensüchtigen Straßenmusiker Simon (Jannis Niewöhner) bei sich auf, weil sie ihn bewusstlos auf der Straße gefunden haben. Sie pflegen ihn und helfen ihm, von seiner Morphiumsucht loszukommen. Zum Bruch zwischen dem Ehepaar und dem Obdachlosen kommt es, als ihnen seine Homosexualität bewusst wird. Zuerst wollen sie ihn mit der Bibel überzeugen, dass seine Orientierung Sünde sei. Später ziehen sie Doktor Winfried Böhme (Falk Rockstroh) hinzu, der Simon therapieren soll. Doch die Begegnung mit dem Straßenmusiker weckt auch im Pastor unterdrückte Gefühle.

„So auf Erden“ ist ein Themenfilm. Es geht nicht so sehr darum, dass eine Geschichte erzählt wird, sondern dass ein Thema filmisch durchformuliert wird. In diesem Fall ist es der Themenkomplex „Christen und die Homosexualität“. Wie das Ehepaar Klare Simon in seinem kalten Entzug von der Morphiumsucht beisteht, erfüllt letztlich nur eine Funktion: Evangelikale treffen auf einen schwulen Straßenkünstler, der seine Sexualität offen auslebt. Motivisch verstärkt sich das Ganze dadurch, dass der Pastor dabei die eigene unterdrückte Homosexualität wiederfindet.

Das Ehepaar Klare betet für den morphiumkranken Simon Foto: SWR/Eikon Südwest GmbH/Christiane Pausch
Das Ehepaar Klare betet für den morphiumkranken Simon

Erste Filmhälfte bestimmt von christlicher Hilfsbereitschaft

Es war der ARD offenbar ein Anliegen, in der Woche, in der die „Ehe für alle“ in Kraft getreten ist, einen Film auszustrahlen, der eine fiktive evangelikale Gemeinde kritisch durchleuchtet. Anfangs zeigt „So auf Erden“ eine friedvolle Gemeinschaft. Die erste Hälfte des Films ist bestimmt von der Hilfsbereitschaft und dem menschlichen Miteinander der Christen. Beten wird als würdevoller Akt dargestellt. Sie helfen sich beim Bau des neuen Gemeindezentrums, sitzen in Hauskreisen beisammen und beraten, wann eine Tochter im richtigen Alter für die Taufe ist.

Der Vater eines 7-jährigen Mädchens möchte, dass sie schon bald getauft wird. Der Pastor hält dagegen: „Als Jesus von Johannes im Jordan getauft wurde, war er 30 Jahre alt. Erst in diesem Moment verwandelte er sich in Gottes Sohn. Die Stimme kam aus dem Himmel: Dies ist mein geliebter Sohn, heute habe ich ihn gezeugt.“ Deswegen will Klare in seiner Gemeinde keine Kindstaufe vornehmen.

Straßenmusiker Simon ist ein Prüfstein für Johannes und Lydia Klare Foto: SWR/Eikon Südwest GmbH/Christiane Pausch
Straßenmusiker Simon ist ein Prüfstein für Johannes und Lydia Klare

„Alles andere ist eine Störung, eine Sünde“

Mit der offenbarten Sexualität des Straßenmusikers – er küsst vor den Augen der Klares einen alten Bekannten in der Fußgängerzone – verändert sich aber die Darstellungsweise der Christen. Es gibt eine Aussprache. Lydia zitiert Bibelstellen und sagt: „Mann und Frau werden ein Fleisch. Das ist Gottes wunderbare Vorstellung von Sexualität. Alles andere ist eine Störung, eine Sünde.“ Der Straßenmusiker entgegnet ihr: „Ich habe mir meine Sexualität nicht ausgesucht. Sie war seit meiner Geburt da. Das heißt, dass sie von Gott kommt, oder?“

Der Film wird düsterer. Doktor Böhme verstört Simon nachhaltig mit seinen Ausführungen zur Bibel und Homosexualität. Bei Pastor Klare brechen die lange unterdrückten homosexuellen Gefühle aus. Er begibt sich in die Hände des Doktors, der bei ihm eine Teufelsaustreibung durchführt, die auch aus dem Horrorklassiker „Der Exorzist“ stammen könnte.

Angerechnet werden kann „So auf Erden“, wie er die Dynamiken offenlegt, wenn Menschen in einer Gemeinde ausgegrenzt und verstoßen werden, weil sie den moralischen Ansprüchen der Mehrheit nicht mehr genügen. Familie Klare wird nicht nur gemieden, sondern aufgefordert, die Gemeinde zu verlassen. Der Film setzt sich für Gnade gegenüber homosexuellen Menschen in evangelikalen Gemeinden ein. Außerdem sind die Schauspieler gut: Edgar Selge, berühmt geworden als einarmiger Kommissar Tauber im „Polizeiruf 110“, verleiht seinem Pastor in einer scheinbar aussichtslosen Situation Würde. Franziska Walser, die unter größten Kraftanstrengungen zu ihrem Mann hält, strahlt Wärme aus. Auch Nachwuchsstar Jannis Niewöhner weiß als unberechenbarer Simon zu überzeugen.

„So auf Erden“ läuft am 4. Oktober um 20.15 Uhr in der ARD.

Der Film „So auf Erden“ hatte am Mittwoch in der ARD um 20.15 Uhr 1,92 Millionen Zuschauer. Das entspricht einem Marktanteil von 6,5 Prozent.

Von: mm

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