„Ben Hur“: Eine wagemutige Neuverfilmung

Auf den ersten Blick erscheint die Unternehmung tollkühn, einen so stilprägenden und beliebten Klassiker wie „Ben Hur“ neu zu verfilmen. Ein Kinobesuch der Neufassung lohnt trotzdem, nicht nur, weil die Action spektakulär ist und Jesus einen prominenteren Auftritt hat. Eine Filmkritik von Michael Müller
Von PRO
Der neue „Ben Hur“ erreicht im berüchtigten Wagenrennen trotz der Spezialeffekte eine erstaunliche Körperlichkeit
Die fiktive Figur des Judah Ben Hur aus dem Roman des Amerikaners Lew Wallace ist fest im kollektiven Bewusstsein verankert: Der jüdische Fürst, der von seinem römischen Jugendfreund Messala für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, auf eine Kriegsgaleere als Rudersklave verbannt wird. Seine Mutter und Schwester lassen Messala in den Kerker werfen. Beim Wagenrennen in der Arena treffen die Erzfeinde wieder aufeinander. Judah sieht seine Chance auf Rache gekommen. Die Geschichte spielt im antiken Jerusalem, wo auch ein gewisser Jesus aus Nazareth für Aufsehen sorgt. Diese Erzählung büßt im modernen Gewand des 3D-Kinofilms, der am 1. September in den deutschen Kinos startet, nichts von ihrer Strahlkraft ein: Denn im Kern ist „Ben Hur“ eine Versöhnungsgeschichte. Judah Ben Hur sagt sich vom Rache-Prinzip los und umarmt letztlich die Botschaft Jesu: „Liebet eure Feinde“. Der neue Hollywood-Film betont diese Botschaft noch durch interessante narrative Akzentverschiebungen. Der „Ben Hur“-Film aus dem Jahr 1959 mit Charlton Heston, der als übermächtige Referenz dient, ist ein Film der Superlative: Er ist einer der teuersten, aufwendigsten und erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Das Wagenrennen und die Galeeren-Schlacht sind unvergessen. Hollywood zeichnete das Werk mit elf Oscars aus. Eine Marke, die erst viele Jahrzehnte später „Titanic“ und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ wieder erreichen sollten.

Chance für mehr Glaube im Kino gesehen

„Sicher war der Stellenwert dieses Klassikers zuerst einschüchternd“, sagt der Produzent des neuen Films, Mark Burnett. Der Engländer und seine Frau Roma Downey, die aus Nordirland stammt, gehören zu den aktuell erfolgreichsten amerikanischen TV- und Filmproduzenten. Neben Reality Shows wie „Survivor“ produzierten sie auch die Miniserie „Die Bibel“ oder den Kinofilm „Son of God“. Für Burnett sei die Neufassung von „Ben Hur“ indes eine echte Chance gewesen, mit den größtmöglichen Unterhaltungsmitteln den Glauben in die Kinos zu bringen. Ihr „Ben Hur“ räumt den steinigen Weg der Versöhnung zwischen Judah Ben Hur und Messala schon vorsorglich etwas auf. Hier gibt es keinen zufällig herunterfallenden Dachziegel, der für die Verurteilung sorgt. Es ist ein jüdischer Attentäter, der von Ben Hurs Haus aus einen Anschlag auf den neuen römischen Statthalter von Jerusalem plant. Auf der Galeere gibt es keinen römischen Förderer mehr, der Judah die Ketten lockert. Die streift er unter größten Anstrengungen schon selbst ab. Und ohne zu viel weitere Handlung zu verraten, sind die Schicksale von Judahs Schwester und Mutter und vor allem auch von seinem einstigen Jugendfreund Messala, der im neuen Film auch sein Stiefbruder ist, anders auserzählt. Der William-Wyler-Film aus dem Jahr 1959 ist im Vergleich die werkgetreuere Umsetzung des Buches. Der im Jahr 1880 veröffentlichte Roman stellt die Grundlage der zahlreichen „Ben Hur“-Verfilmungen dar, von denen der aufwendige Stummfilm aus dem Jahr 1925 ebenfalls herausragt. Der Romanautor Lew Wallace war amerikanischer Rechtsanwalt, Bürgerkriegsoffizier und auch Gouverneur von New Mexico. Ursprünglich hatte er mit „Ben Hur“ eine Geschichte über die drei Weisen aus dem Morgenland im Sinn. Der Legende nach schrieb Wallace den Roman als Antwort auf die bohrenden Fragen eines damals berühmten Agnostikers.

Auch für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne geeignet

Die wohl größte Leistung des wagemutigen Versuchs, „Ben Hur“ neu zu erzählen, ist die Verdichtung des Stoffs auf zwei Stunden Kinounterhaltung. Beim alten Tonfilm saßen noch heutige Mütter und Väter mit ihren Eltern – die Unterbrechung in der Mitte mit einberechnet – praktisch einen halben Tag im Kinosaal. Der Klassiker von 1959 geht ohne Pause schon fast vier Stunden. Die neue Fassung spart dagegen am Melodrama, an den wild aufpeitschenden Gefühlen und Handlungselementen, welche die Rachegelüste des Judah Ben Hur für den Zuschauer noch nachvollziehbarer machen. Im Gegensatz zum Klassiker setzt der neue Film auf unverbrauchte Hauptdarsteller, deren Gesichter Platz für die Fantasien der Zuschauer lassen. Wyler besetzte als Judah Ben Hur den Star Charlton Heston, der bereits Mose in „Die zehn Gebote“ gespielt hatte. Hier ist es der Brite Jack Huston, der am ehesten aus der TV-Serie „Boardwalk Empire“ bekannt ist. Der aufstrebende Schauspieler Toby Kebbell gibt seinen Gegenpart Messala. Im Abspann wird an dritter Stelle bereits der Brasilianer Rodrigo Santoro angeführt, der im neuen „Ben Hur“ Jesus spielt. Ihn kennt der Zuschauer vor allem als Perserkönig Xerxes aus dem Film „300“.

Die Jesus-Darstellung damals und heute

Ein Kunstgriff des alten „Ben Hur“ war es, das Gesicht Jesu auf der Leinwand nicht zu zeigen. Über die Schulter gefilmt war absichtlich nur der Hinterkopf oder das wallende Haar im Bild. Den sparsam eingesetzten Auftritten gab das eine besondere Aura. Ohne es direkt zu sagen, war instinktiv klar, wer der fremde Mann war. Zumal der alte Film erzählerisch mit der Geburt Jesu beginnt und mit seiner Kreuzigung endet. Im Abspann ist auch nicht der Name des Darstellers gelistet. „Gott ist die Liebe und er hat einen Plan für dich“, sagt Jesus im neuen Film. Christus bearbeitet als Zimmermann gerade ein Stück Holz, als Judah an ihm vorbeigeht. Seine körperliche Präsenz soll die Wahrhaftigkeit seines Handelns unterstreichen. Die Leidensgeschichten von Jesus und Judah sind in beiden Filmversionen bewusst parallel erzählt. Der neue „Ben Hur“ bietet dabei nicht unbedingt mehr Szenen mit Jesus, aber er ist als Person greifbarer und nahbarer. Der Regisseur des neuen Films ist der Russe Timur Bekmambetov. Er ist zwar nicht Zimmermann, aber in der Branche als verlässlicher Handwerker bekannt, der seine Künste unter der Anleitung des amerikanischen Königs der B-Filme, dem Produzenten und Regisseur Roger Corman, verfeinerte. Die vor visuellen Ideen nur so übersprudelnden russischen Genrefilme „Wächer der Nacht“ (2004) und „Wächter des Tages“ (2006), die vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse erzählen, machten Hollywood auf Bekmambetov aufmerksam.

Action-Prunkstück: Die Galeeren-Schlacht

Bekmambetovs Stärke ist die Inszenierung von Action. Die Galeeren-Schlacht zwischen Römern und Piraten stellt trotz des Wagenrennens das Prunkstück des gesamten Films dar. Nachdem das römische Schiff von den Piraten gerammt wurde, fliegt Judah mit dem Zuschauer wild durch die Luft. Wie er dann unter Wasser gerät und sich mit dem letzten Atemzug seiner Kette entledigt, ist schlicht atemberaubend. Auch der atmosphärische Einmarsch der römischen Legion in Jerusalem, die mit ihren lateinischen Gesängen den Kinosaal zum Beben bringt, bleibt in Erinnerung. Trotz der modernen Spezialeffekte ist das Wagenrennen erstaunlich körperlich gelungen und zeitweise recht brutal anzusehen. Die Arena ist dem Original von 1959 nachempfunden worden. Es gibt sogar die umkippenden goldenen Delfine, die eine weitere abgelaufene Runde anzeigen. Allerdings besteht der Film die meiste Zeit aus nahen oder halbnahen Kameraeinstellungen sowie Großaufnahmen. William Wyler, der Regisseur des „Ben Hur“ von 1959 wusste, dass Großaufnahmen ihre ganze Wirkung nur entfalten können, wenn sie sparsam eingesetzt werden. Zu selten gleitet die Kamera zurück und lässt den Zuschauer selbst das Bild entdecken. Das ist der Fall, wenn beispielsweise Judah über den Jerusalemer Markt spazieren geht, die Kamera zurückschwenkt und das Meerpanorama sichtbar wird. Auch dieser „Ben Hur“ ist überwiegend im italienischen Filmstudio Cinecittá und der Umgebung gedreht worden. Aber es sind bessere Landstriche Süditaliens gefunden worden, die das antike Jerusalem lebendiger als in der früheren Version erscheinen lassen.

Tierschutz und kein Blackfacing mehr

Die Errungenschaften des Fortschritts erlauben, dass der arabische Förderer von Judah Ben Hur, Scheich Ilderim, nicht wie in den 1950er-Jahren als Schauspieler „geblackfaced“, nämlich das Gesicht eines weißen Schauspielers dunkel geschminkt wurde. Diese Rolle spielt heute der afroamerikanische Darsteller Morgan Freeman, einer der besten Schauspieler seiner Generation, der auch schon mal als Gott auf der Leinwand in Erscheinung getreten ist („Bruce Allmächtig“). Weil die digitale Technik so vorangeschritten ist, können mittlerweile die Pferde beim Wagenrennen in den gefährlichsten Szenen geschont werden. In der Stummfilm-Fassung von 1925 starben beim Dreh des Wagenrennens noch einige Pferde, 1959 wurden Pferde beim Dreh mindestens noch verletzt. Die neue Verfilmung eignet sich als Einstieg für Menschen, die „Ben Hur“ noch nicht kennen. Fans des alten Klassikers werden bei einigen Änderungen der Handlung Magenschmerzen haben und Charlton Heston vermissen. Letztlich kann der neue Film aber auch als Ausgangspunkt dienen, um in die Filmgeschichte einzutauchen – oder auch den sehr lesenswerten Roman von Lew Wallace in die Hand zu nehmen. (pro)

„Ben Hur“, Regie: Timur Bekmambetov, 124 Minuten, freigegeben ab zwölf Jahren, ab Donnerstag, 1. September, im Kino.

Hinweis in eigener Sache: Kostenloses Arbeitsmaterial für Ben Hur

Der neue Ben Hur bietet eine hervorragende Möglichkeit, über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen. Der Christliche Medienverbund KEP, der auch das Christliche Medienmagazin pro herausgibt, hat in Zusammenarbeit mit Paramount Pictures einen theologisch und medienpädagogisch reflektierten Leitfaden entwickelt, der drei Gesprächseinheiten mit Fragen und biblischen Reflexionen enthält. Er eignet sich für Jugend- und Studierendengruppen, Bibeltreffs oder Hauskreise – und alle anderen, die über die großen Themen aus Ben Hur sprechen möchten. Der Leitfaden ist kostenfrei bestellbar unter www.kep.de/benhur.
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/auch-jesus-hatte-viele-fragen-96112/
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/die-bibel-produzenten-helfen-ben-hur-87990/
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/ben-hur-wird-christ-80555/
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