Der sehenswerte israelische Kinofilm „Am Ende ein Fest“ greift das Thema aktive Sterbehilfe auf. Mit seiner Verbindung von Humor und Nachdenklichkeit plädiert er für Wahlfreiheit, sofern sie ihre Schwächen kennt. Eine Filmkritik von Daniel Frick
Von PRO
Foto: Neue Visionen Filmverleih
Levana (Levana Finkelstein) und ihr Mann Jetzechiel (Ze’ev Erach) stehen ihrer alten Freundin zur Seite
Max leidet und will sterben. Der Alte liegt im Krankenhaus, hängt an Geräten und siecht dahin. „Sie halten ihn am Leben, als wäre das Sterben ein Verbrechen“, klagt seine Frau Jana. „Er hat es nicht verdient, so jämmerlich einzugehen“, meint auch Jetzechiel, ein Freund des Ehepaares. Dessen Frau Levana hält dagegen: „Die Menschen hängen bis zum letzten Moment am Leben, warum also aufgeben?“
Die schwarze Komödie „Am Ende ein Fest“ aus Israel, die ab dem 24. September in den deutschen Kinos zu sehen ist, behandelt das Thema Sterbehilfe mit einer gelungenen Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit. Und sie wartet nicht lange darauf, die verschiedenen Ansichten dazu vorzustellen. Denn im Laufe des Films werden sich diese bei den Protagonisten noch verschieben. Was die Gedankengänge zunächst vorantreibt, ist der Umstand, dass die Alten Sterbehilfe tatsächlich selbst anbieten können. Tüftler Jetzechiel baut eine Maschine, die, an eine Sabbatuhr gekoppelt, nacheinander verschiedene Dosen verabreicht, die sie insgeheim von einem Tierarzt erhalten haben. Diese versetzen den Menschen erst ins Koma, dann lassen sie ihn sterben.
Beklemmung und Humor
Für den Zuschauer hält der Film einige beklemmende Szenen bereit. Etwa wenn er sieht, wie Jetzechiel mit Verbündeten über dem Maschinenplan brütet. Nicht nur, dass andere Erfindungen der Marke Jetzechiel nicht immer völlig zuverlässig funktioniert haben. Die Maschine macht die Mechanik des Todes sichtbar. Ein Knopfdruck, und alles ist aus. Darf es so einfach sein? Die Alten reden sich ein, es aus Liebe und Pflicht zu tun. Aber tun sie es für Max oder nicht doch für sich selbst, weil sie das Leid nicht mit ansehen können? Am Ende will jedenfalls doch niemand den Knopf drücken, sie können es nicht, der andere soll es bitteschön tun.
Diese Szenen verbinden die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Scharon Maimon und Tal Granit mit einer bemessenen Portion Humor, die den Zuschauer immer wieder aus der Betroffenheit hinausführt, ihm also nicht zu nahe tritt und ihn gerade dadurch erreicht. Für Israelis passiert das allein schon deshalb, weil die Hauptdarsteller bekannte Komiker sind, allen voran Ze‘ev Erach als Jetzechiel. Der Humor greift aber auch in Szenen wie der ersten Anwendung des Tötungsapparats, die in einem Husarenstück im Krankenhaus gelingt. Bei der Beerdigung melden sich dann Interessenten, die Wind davon bekommen haben, dass Max wohl keines natürlichen Todes gestorben ist. Die Alten könnten ein Geschäft eröffnen.
In der Wirklichkeit verankert
Dass das keine wirklichkeitsferne Entwicklung ist, haben Maimon und Granit selbst erfahren, wie sie auf dem Internationalen Filmfest in Rotterdam erklärten. Viele Menschen in Israel mit einer schweren Krankheit hätten sich in Briefen dafür bedankt, dass der Film das Thema so offen angesprochen habe. Dabei hätten einige der Kinogänger tatsächlich auch angefragt, ob die Maschine aus dem Film zu haben sei.
In Israel ist aktive Sterbehilfe, wie sie im Film praktiziert wird, verboten. Passive Sterbehilfe ist seit Ende 2006 unter bestimmten Bedingungen erlaubt: Der Betroffene muss den Wunsch äußern und nach Einschätzung der Ärzte nicht länger als sechs Monate zu leben haben. Erst im November 2014 – einen Monat nachdem der Film in Israel erschienen ist – erlaubte ein Gericht erstmals, Sterbehilfe auch bei einem Patienten zuzulassen, der nicht todkrank war, aber kurz davor stand, seine kognitiven Fähigkeiten zu verlieren. Die Entscheidung stieß auf Kritik von religiös-konservativer Seite.
Die Entscheidung zeigt aber vor allem, dass die Debatte in Israel nicht zu Ende ist. Zu der Diskussion trägt ein im Juni 2014 eingebrachter Gesetzesvorschlag bei, wonach auch aktive Sterbehilfe bei todkranken Patienten erlaubt sein soll – insofern sie nicht an lebenserhaltenden Geräten hängen, die abgeschaltet werden können. Auch hier haben religiös geprägte Parteien wie „Jüdisches Haus“ Widerstand angekündigt.
Film mit Botschaft
Apropos Religion: Diese spielt im Film keine Rolle – bis auf jene „Anrufe von Gott“, mit denen Jetzechiel Mitbewohner seines Altersheims veralbert. Die Regisseure erklären den Umstand damit, dass die meisten Israelis ohnehin säkular eingestellt seien. Zugleich sei Israel ein jüdischer Staat, Religion auf die eine oder andere Weise immer präsent und müsse – für Israelis – nicht explizit erwähnt werden. Tatsächlich beruft sich das Sterbehilfe-Gesetz von 2006 unter anderem auf die Halacha, den jüdischen Gesetzeskodex: Der Talmud erlaubt Schmerzlinderung für zum Tode Verurteilte und beruft sich dabei auf das Gebot der Nächstenliebe in Levitikus 19.
Der Film lotet das Thema aktive Sterbehilfe sicher nicht in alle Richtungen aus. Das muss er als Kunstwerk auch nicht. Dafür hält er eine Botschaft parat, die er unaufgeregt vermittelt: Jeder Mensch sollte die legale Möglichkeit haben, auf aktive Sterbehilfe zurückzugreifen. Denn es gibt jene Linie, ab der ein Leben nicht mehr lebenswert ist. Dass das in keinem Fall eine eindeutige Entscheidung ist, zeigt der Film ebenfalls auf kuriose Weise: Eine Interessentin, die schon den Todesknopf gedrückt hat, revidiert ihre Entscheidung, zu sterben – die Möglichkeit dazu hat sie, weil Jetzechiels Erfindung versagt.
Doch bei aller Uneindeutigkeit, mit einer legalen Möglichkeit wären den Alten die Skrupel, Selbstzweifel und Selbstvorwürfe, die Heimlichtuerei erspart geblieben. Das Leben, auch das zeigt der Film, kann durchaus „am Ende ein Fest“, ja die Entdeckung ungeahnter Liebe sein – trotz faltiger Haut und einem Körper, der sich nur noch umständlich bewegt. Wenn es aber nur noch eine Aneinanderreihung von Therapien darstellt, die das Leben verlängern, ihm aber kein Stück an Qualität (zurück)geben, darf die Frage nach dem „guten Sterben“ – im Hebräischen heißt der Film „Mita Tovah“ – kein Tabu sein. (df)
„Am Ende ein Fest“, Israel 2014, 95 Minuten, ab dem 24. September im Kino
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