Jesus und Judas auf der Berlinale

Stars wie Nicole Kidman oder Christian Bale geben sich dieser Tage in Berlin ein Stelldichein: Am Donnerstag hat die 65. Berlinale begonnen. Am ersten Tag des Filmfestivals ging es fernab der roten Teppiche und ganz ohne Promi-Rummel um Judas und Jesus. Eine Filmkritik von Anna Lutz
Von PRO
Judas trägt Jesus nach dem Fasten durch die Wüste – nicht in der Bibel, dafür aber im Film von Rabah Ameur-Zaimeche
Beim Kunstkino der Berlinale geht es für gewöhnlich um Liebe, Sex oder aktuelle politische Entwicklungen. Oder gleich um alles zusammen. Umso überraschender, dass die Veranstalter einen Film zeigen, der so gar nicht ins Standardprogramm passen will – und die Bibel zum Thema hat. Außerhalb des Wettbewerbs läuft Rabah Ameur-Zaimeches Kostümfilm „Die Geschichte des Judas“. Die französische Produktion will selbige erzählen – konzentriert sich aber eigentlich viel mehr auf Jesus selbst.

Judas, der Jesus-Freund

Judas ist im langsam und in kargen Wüstenbildern erzählten Film keineswegs der Verräter des Gottessohns. Stattdessen nimmt er eine Position ähnlich der des biblischen Johannes ein. Er ist ein guter Freund und enger Vertrauter Jesu. Er trägt ihn, wenn er nach dem Fasten keine Kraft mehr zum Gehen hat. Er bittet seine Freunde in Jerusalem darum, seinen Herrn dort zu protegieren. Er erklärt Jesus zum Messias. Er hilft ihm bei der Tempelreinigung. Er weint bitterlich nach dessen Tod am Kreuz. Denn wie in der echten biblischen Geschichte wird Jesus von den Römern beobachtet. Ein Schreiber aus Qumran hält die Worte des Rabbis fest, um ihn später zu verraten. Judas ist es, der das Schlimmste zu verhindern versucht, dabei aber scheitert und am Ende selbst umkommt. Man mag solche Spiele mit der biblischen Geschichte ungebührlich finden. Dennoch: Mindestens selten war in einem Berlinale-Film derart respektvoll von Jesu Taten und Charakter die Rede, ist das Kino doch eher für Religionskritik denn für dessen Würdigung bekannt. Ameur-Zaimeche aber lässt Jesus als Befreier auftreten, der seinen Jüngern die Füße wäscht, Ehebrecherinnen vor der Steinigung rettet und das Brot mit seinen Freunden bricht. Immer wieder lässt der Regisseur Jesus auch auf Gott hinweisen. Etwa nach dessen Verurteilung durch Pontius Pilatus, den er zuvor von rasenden Kopfschmerzen heilt.

Jesus, der Aktivist

„Die Geschichte von Judas“ versucht, dem Gottesverräter ein neues Image zu geben. Sie stellt die Frage: Was wäre, wenn die Sache mit dem Bruderkuss ein historisches Missverständnis war und eigentlich einen anderen Jesus auslieferte? Schade, dass dieses Experiment wenig spannend und mit offensichtlich geringem Budget erzählt wurde. Schade auch, dass Jesu politisches Engagement wie so oft überspitzt und überaus frei interpretiert gewürdigt wird. Der Film lässt Jesus nicht nur als politischen Aufrührer auftreten, der die Unterdrückung durch die Römer anprangert. Er macht aus Jesus auch einen Aktivisten für Tiere, der Hühner im Tempel befreit und bei seinem Einzug nach Jerusalem nicht auf einem Esel reitet, sondern ein Fohlen trägt. Das und vieles mehr missachtet so ziemlich jede theologische Deutung der Überlieferungen von Jesu Taten. Dennoch: So viel Bibel im positiven Kontext wird es auf der Berlinale wohl lange nicht mehr geben. Und wer Theologie will, sucht sie eher selten bei einem Filmfestival. (pro) „Das Leben des Judas“, 99 Minuten, Frankreich 2015
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/berlinale-kreuzweg-zweifach-ausgezeichnet-87446/
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/berlinale-was-kirche-und-film-gemeinsam-haben-87393/
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