Kampf um den DNS-Supercomputer

„Die Codices“ – so heißt der faszinierende Thriller, der an der Schnittstelle zwischen Biotechnologie, Künstlicher Intelligenz und Cyber-Sicherheit liegt. Wolfgang Eckstein skizziert in seiner Zukunftsvision, wie wissenschaftliche Entdeckungen unsere Welt tiefgreifend verändern könnten. Eine Rezension von Siegfried Scherer
Von PRO
Das Buch „Die Codices“ stellt Fragen nach den Grenzen der Erkenntnis

Wolfgang Eckstein siedelt seinen von der ersten Seite an fesselnden Roman souverän an der Schnittstelle zwischen Realität und Science Fiction an. Der Plot entwickelt sich in einem atemberaubenden Wechsel zwischen drei Erzählsträngen aus dem dritten und dem 21. Jahrhundert, die sich später überraschend zusammenfügen. Der Leser taucht ein in das antike Alexandria mit dem historischen Bischof Dionysius und seinen Schülern, wird aber auch Zeuge einer schnellen, mit vielfältigen Details versehenen weltumspannenden Verfolgungsjagd nach den beiden Hauptakteuren des Thrillers: Für den begabten deutschen Mikrobiologen und Bioinformatiker Lennard und die südamerikanische Geologin Robin aus dem Volk der Maya geht es um Leben oder Tod.

Lennard hat einen biologischen, DNS-basierten Superrechner auf der Basis fremdartiger Archaebakterien konstruiert, mit dem machtbesessene Firmen oder Staaten die Welt beherrschen könnten. Ein skrupelloses, global agierendes Computer- und Biotech-Unternehmen stiehlt diesen DNS-Supercomputer, um das private und öffentliche Leben aller Menschen zu kontrollieren. Lennard als Erfinder des Computers soll schließlich ausgeschaltet werden. Der Kampf scheint aussichtslos, doch da kommen drei verschollene Codices, also antike Bücher, des genialen Mathematikers Diophantos aus Alexandria auf verschlungenen Wegen in die Hände von Lennard. Könnten die in ihnen enthaltenen Gleichungen für Lennard und seine Freunde zum entscheidenden Schlüssel im Kampf gegen die übermächtige Maschine werden?

Fragen nach den Grenzen der Erkenntnis

Eckstein verarbeitet in seinem Roman drei Trends unseres Jahrhunderts, die besonders geeignet sind, unsere Gesellschaft tiefgreifend zu verändern: Biotechnologie, Cyber-Sicherheit und Künstliche Intelligenz. Zu Recht mahnt die stürmische Entwicklung in diesen Bereichen zur Vorsicht, nicht selten ruft sie Ängste hervor. Eckstein ist promovierter Informatiker, damit ausgewiesener Fachmann und zugleich ein außergewöhnlich begabter Autor. Mit „Die Codices“ legt er einen rasanten Thriller vor, der mögliche Perspektiven vorzeichnet, die sich aus der Kombination von Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz ergeben könnten.

Auf meisterhaft spielerische und leicht verständliche Weise vermittelt Eckstein spannende Informationen über faszinierende mathematische Probleme, von denen einige bis heute die Grenzen des Berechenbaren markieren. Darüber hinaus werden dem Leser am Beispiel der antiken alexandrinischen Lebenswelt zwanglos und auf anziehende Weise wichtige Grundlagen des christlichen Glaubens nahegebracht. Diese regen nicht nur zum Nachdenken an, sondern sind der Ausgangspunkt für die entscheidenden Fragen nach einem übertriebenen Wissenschaftsglauben, nach ungebremstem Wachstum und den Grenzen der Erkenntnis.

Ein außergewöhnlicher, bis zuletzt spannender Roman, dessen Verständnis übrigens keinerlei Fachkenntnisse erfordert. Man möchte ihn nicht mehr aus der Hand legen, wenn man erst einmal mit der Lektüre begonnen hat.

Wolfgang Eckstein: „Die Codices“, Verlag A TREE & A VALLEY, 672 Seiten, 24 Euro, ISBN 9783947357154

Prof. Dr. Siegfried Scherer leitet den Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie an der Technischen Universität München. Er war Vorsitzender der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ und ist Co-Autor des Buches „Evolution. Ein kritisches Lehrbuch“.

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