Befassen sich Medien oder öffentliche Diskussionen mit dem Irak, geht es oft um Krieg, Islamismus, Terror oder Verfolgung. Die Themenfelder sind größtenteils abgesteckt. Es sei so, als gebe es dort nur Männer, schreibt die irakische Autorin Chalat Saeed. „Frauen sind unsichtbar. Frauenrechte gibt es nicht. Frauen sind nicht etwa Bürger zweiter Klasse – nein, sie sind nicht bessergestellt als Haustiere“, schildert sie in ihrem Buch „Ich wähle die Freiheit: Wie ich Zwangsehe und Unterdrückung überlebte und neue Hoffnung fand“. Dieses ist kürzlich im Adeo-Verlag erschienen.
Mit dem Werk will Saeed gemeinsam mit Martin Redies dem Leser ein Fenster öffnen und ihn hineinschauen lassen in ihr irakisches Leben „wie in ein Nachbarhaus, dessen Fenster normalerweise fest von innen verschlossen ist“. Und so erzählt sie von einem Leben als quasi unsichtbare Frau im Irak. Sie stammt aus einer kurdischen Familie, ihr geliebter Vater verstarb zeitig. Früh wurde sie aus der Schule genommen, als Vierzehnjährige musste sie einen älteren Mann heiraten – ein radikaler Muslim mit Verbindungen zur Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Er misshandelte sie und sperrte sie ein.
Scheidung wegen häuslicher Gewalt erst in Deutschland
Das Paar bekommt zwei Töchter. Weil sie ihre Kinder nicht verlieren will, erwägt Saeed erst keine Trennung. Doch ihr Lebensweg wendet sich, und so wird aus dem unterdrückten Mädchen eine mutige Mutter. Später lässt sie sich in Deutschland von ihrem Mann wegen häuslicher Gewalt scheiden.
Saeed kommt zum Glauben an Jesus. Diese Entwicklung reißt die Autorin in dem Buch an. Doch leider erfährt der Leser über ihren Weg zum christlichen Glauben nur wenig. Zudem wäre es spannend gewesen, mehr über ihre Flucht aus dem Irak zu lesen. Die Autorin kündigt an, dass ihre Tochter Nigin über diese Erlebnisse ein eigenes Buch schreiben will.
Buch gibt unterdrückten Frauen eine Stimme
Auf acht Seiten am Ende der Publikation gewährt die Autorin dem Leser einen Einblick ins Familienfotoalbum. Darin sind sowohl Bilder von Saeed und ihren Töchtern Nigin und Niga aus dem Irak als auch aus Deutschland zu sehen. Auf den farbigen Seiten findet sich zudem eine Karte mit den kurdischen Gebieten im Nahen Osten.
Die Sprache in „Ich wähle die Freiheit“ ist einfach gehalten. Im Schreibstil überwiegen Dialoge. Eine Frage drängt sich beim Lesen auf: Wie konnte sich Saeed zahlreiche Unterhaltungen genau merken, die viele Jahre zurückliegen? Das Buch berührt und schockiert zugleich. Es macht betroffen und führt einmal mehr vor Augen, dass das, was in Deutschland und Europa für Frauen selbstverständlich ist, in anderen Ländern unvorstellbar bleibt. „Ich wähle die Freiheit“ gibt Millionen von unterdrückten Frauen im Irak eine Stimme.
Von: Martina Blatt