Wenn Jesus von Sünde, Gnade, Gottes Reich und Hölle spricht, ist das zunächst nicht witzig. Und das Neue Testament berichtet von keinem Lachen Jesu, stellt der emeritierte Professor für Neutestamentliche Theologie der Universität Heidelberg Klaus Berger fest. Berger ist einer der bekanntesten deutschen Bibelwissenschaftler und Autor zahlreicher Publikationen. In seinem Buch „Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu“ stellt er viele humorvolle Äußerungen Jesu heraus und kommt zu der Erkenntnis: „Jesu Humor ist der Vater aller seiner Weisheit.“
Der Theologe überlegt: „Ist es wirklich vorstellbar, dass Jesus mit den Jüngerinnen und Jüngern durch die Lande zog, gemeinsam aß und Wein trank, dass dabei aber Lachen verboten war?“ Wohl kaum. Und in der Tat finden sich in den Zitaten Jesu viele Hinweise darauf, dass er karikiert, verzerrt, gespottet und sich lustig gemacht hat. „Jesus bringt Menschen zum Lachen und befreit sie dadurch aus dem Labyrinth ihrer Abwege“, schreibt Berger. Jesus zeige sich „bisweilen grotesk, aber nie verletzend, manchmal spöttisch, doch nicht zerstörend, sondern aufklärend“. In einem Kapitel vergleicht Berger Jesu Humor mit der Haltung der Kyniker, von denen wir den „Zynismus“ kennen.
Berger bringt viele Beispiele für Jesus-Worte, die vielleicht nicht wie ein üblicher Treppenwitz von heute funktionieren, aber mit Sicherheit viele Menschen auch zum Lachen gebracht haben. Selbsterklärend streift man bei alledem stets auch die theologische – und damit strengere – Variante der Auslegung von Jesu Worten. Manchmal ist es eine Gradwanderung. Ist es ein Witz, wenn Jesus sagt: „Lazarus schläft nur“, obwohl er eigentlich tot ist? Ist Jesu Aufforderung, nötigenfalls Auge, Hand oder Fuß zu amputieren, ernst gemeint oder halb im Scherz? Berger ist überzeugt, dass man bei manchen Worten Jesu besser ein Schild aufstellen sollte mit den Worten: „Bitte nicht wörtlich nehmen.“ Er schreibt: „Die gute Aussageabsicht (z.B. dass Jesus nahelegt, auf Reichtum zu verzichten oder eine Frau nicht geil anzustarren) verschwindet nahezu hinter einem mitunter zirkusreifen Aufwand.“ Selbst die größte Sünde dürfe doch wohl im Sinn Jesu nicht zur Selbstverstümmelung führen, „abgesehen davon, dass diese wahrscheinlich tödliche Folgen zeitigen würden“.
„Er ist verrückt“
Eines der berühmtesten scherzhaften Äußerungen ist vielleicht Jesu Aussage, die auch Titelgeber für Bergers Buch war: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (Markus 10,25). Im Grunde sei Jesus jemand, der althergebrachte Begebenheiten umdreht und Autoritäten nicht so ernst nimmt, stellt der Theologe fest. Vielleicht versteht man die Linie zwischen Humor und ernster Theologie besser, wenn man sich mit Berger bewusst wird: „Berechtigtes Lachen setzte Souveränität voraus.“ Denn: „Der quasi-göttliche Anspruch von Scheinriesen wird unterminiert, seien es nun Scheinriesen als Menschen oder Scheinriesen als Besitz, Prestige, Macht.“ Grundsätzlich schramme Humor absichtlich häufig knapp an Blasphemie vorbei und werde mitunter dadurch erst spannend, schreibt Berger.
Berger gelingt es sehr gut, diese eher unbekannte Seite Jesu zu beleuchten. Auch wenn man eventuell vorher skeptisch war, ob man wirklich Humor in der Bibel suchen sollte, ist Bergers Argumentation schlüssig. Am Ende kann man sich Jesus sehr gut als einen humorvollen Menschen vorstellen, der zwar nie über Menschen lachte, aber mit Sicherheit die eine oder andere lustige Geschichte erzählen und auch herzhaft lachen konnte. In den Verdacht, aus der Bibel ein Witzebuch zu machen, kommt Berger damit keinesfalls.
So sei vieles, was Jesus sagte, offensichtlich metaphorisch oder als Provokation gemeint. Sein Fleisch essen und sein Blut trinken, habe nichts mit Kannibalismus zu tun, so Berger. Und immerhin: Jesu eigene Verwandte sagten über ihn (Markus 3,21): „Er ist verrückt.“
Klaus Berger: „Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu“, Verlag Herder, 208 Seiten, 22 Euro, ISBN 9783451383304