Stellen Sie sich vor, Sie erleiden Schiffbruch und können sich auf eine einsame Insel retten. Die Insel erweist sich als gut bewohnbar, und Sie finden sogar ein Haus, das genau Ihren Wunschvorstellungen entspricht; im Inneren hängen Bilder genau nach Ihrem Geschmack, auf dem Tisch steht ein Teller mit Ihrer Lieblingsspeise und im Hintergrund läuft Ihre Lieblingsmusik. Auf einer Tafel steht zu alledem neben Ihrem Namen das Wort „Willkommen“. Würden Sie nicht annehmen, dass jemand Sie hier erwartet und alles für Sie so eingerichtet hat? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles ein Zufall ist?
Mit dieser Analogie beginnt der Chemiker Markus Widenmeyer sein Buch „Das geplante Universum“. Widenmeyer, der neben Chemie auch Philosophie studierte, stellt in dem Buch mit drei anderen Autoren die interessante Frage: Wurden wir in diesem Universum erwartet? Ist vielleicht alles, was ist, so geplant, damit wir darin leben können?
Wie mit der Insel verhält es sich mit der Erde, ja, mit dem ganzen Universum, so die Aussage des Buches. „Die physikalischen Eigenschaften des Universums, also die Naturgesetze, Naturkonstanten und Randbedingungen, sind in komplexer Weise und häufig sehr präzise für das Vorhandensein körperlichen Lebens maßgeschneidert“, schreiben die Autoren. Insgesamt vier Naturwissenschaftler arbeiteten an dem Buch mit, neben Widenmeyer zwei Physiker und ein Chemiker.
Welt durch Zufall aus dem Nichts?
Das Wort „biozentrisch“ beschreibt den Zustand unseres Universums demnach wohl am besten. Hinter allem steht die Frage: „Steht hinter dem Universum ein Masterplan?“ Die Autoren verstehen sich als Theisten, sind also der Überzeugung, dass sich die Welt am besten als das Werk eines kreativen, intelligenten Schöpfers verstehen lässt, auch und vor allem naturwissenschaftlich.
Diese These untermauern sie anhand einer gedanklichen Reise von der Physik und den allerkleinsten Teilen und den Kräften untereinander über die Biologie und die Mechanik des Lebens bis hin zur philosophischen Frage, was wohl wahrscheinlicher ist: ein Universum, das aus Zufall von selbst aus dem Nichts entstand, oder eines, das von einem Schöpfer erdacht wurde. Die Stärke des Buches liegt darin, dass hier vier Experten ihres jeweiligen Fachgebietes zu Wort kommen.
Gott wollte offenbar Bewunderer
Die Statistik zeigt, dass ein System, je komplexer es wird, umso unwahrscheinlicher wird. Und das Universum ist immens komplex. Widenmeyer und seine Kollegen, die allesamt für die Studiengemeinschaft Wort und Wissen arbeiten, erläutern: „Die Struktur des Universums ist hervorragend mittels Zeichen bzw. sprachlicher Elemente darstellbar, nämlich mittels ein paar weniger, relativ einfacher mathematischer Regeln. Man kann sagen, die Struktur des Universums ist auf Symbolisierbarkeit (d.h. sprachliche, formelhafte Ausdrucksfähigkeit) hin ausgerichtet.“ Es scheint also fast so, als sollten sich am Ende Lebewesen in diesem Universum befinden, die mit ihrem Verstand eben diese Komplexität erforschen und erkennen können. So als habe es dem übernatürlichen Wesen nicht gereicht, eine schöne Welt zu schaffen, sondern es musste sie auch mit jemandem teilen, der die Welt ebenfalls schön findet.
Die Herausforderung für einen Naturalisten, der bei der Erklärung der Welt unbedingt Gott aus dem Spiel lassen will, liegt hingegen darin, die geordnete Vielheit der materiellen Welt anders zu erklären. Diese Erklärung der Welt muss also in der Welt selbst stecken; ihre Entstehung muss in ihr selbst angelegt sein. Klingt das nicht ein wenig nach Baron Münchhausen, der sich selbst an seinen Haaren aus dem Sumpf zog?
Um etwas von der Faszination der Gedanken mitzubekommen, muss man den Autoren auf ihrem kleinen Crashkurs in Teilchenphysik folgen. Doch es lohnt sich! Vier Kräfte – Gravitation, Elektromagnetismus sowie starke und schwache Kernkraft – formen die Grundbausteine, aus denen unsere Welt erbaut ist. Wenn wir eine Lego-Stadt sehen, erbaut mit viel Liebe zum Detail, denken wir sofort daran, dass sie von jemandem gebaut worden sein muss. Die Ordnung in den Bausteinen kann kein Zufall sein. Ein großer Haufen von Lego-Bausteinen hingegen erschiene uns eher ungeordnet. Genau dieses Prinzip wenden Theisten auf das Universum an: Wenn es so viel Ordnung im Kosmos gibt, kann diese von sich aus durch Zufall entstanden sein?
„Es war sehr gut“
Je tiefer man in die Welt der Teilchen blickt, umso verblüffender erscheint die Menge an Feinabstimmungen. Der Leser erfährt: Von den 80 stabilen Elementen in der Natur sind 22 unmittelbar für das Leben relevant. „Alle stabilen und auch einige radioaktive Elemente werden von der Menschheit technisch genutzt“, schreiben sie, und weiter: „Setzt man voraus, dass eine Menschheit, die die Erde ‚bebauen und bewahren‘ soll, ein Ziel des Schöpfers ist, dann sind damit, etwas technisch ausgedrückt, alle Elemente für den Aufbau und die Funktion der Zielobjekte nötig oder nützlich.“ Der Bibelspruch aus dem Schöpfungsbericht „Und siehe da, es war sehr gut“ bekommt plötzlich aus naturwissenschaftlicher Perspektive eine ganz neue Bedeutung. Gott würde Lego lieben.
Im Schlussteil versuchen die Autoren skeptische Fragen zu beantworten, etwa ob diese ganze Ordnung nicht auch ohne einen Gott erklärt werden könnte, was sie von der Theorie der Multiversen halten (also der Annahme, es könnte nicht ein Universum geben, sondern viele), und warum sie ein theistisches Weltbild mit jüdisch-christlicher Prägung am plausibelsten halten.
Das Sujet ist wahrlich nicht das einfachste, aber die Autoren schreiben sehr gut verständlich, und sie finden das richtige Augenmaß für die Detailtiefe. Wer sich auf die Gedankenreise einlässt, wird belohnt, denn sie ist extrem interessant und es entspringt aus ihr ein komplett neuer Blick auf die Welt. Was vordergründig „nur“ ein Buch über Naturwissenschaft ist, entpuppt sich als Zeugnis für die Herrlichkeit Gottes und kann so für den einen oder anderen geradezu eine Glaubensstärkung sein.
Markus Widenmeyer (Hrsg.): „Das geplante Universum“, SCM Hänssler, 156 Seiten, 9,99 Euro, ISBN 3775159606