„Heinrich Heine gilt weithin in erster Linie als Glaubensskeptiker, wo nicht gar als Atheist“, schreibt Christian Liedtke. Er ist Autor mehrerer Heine-Bücher, darunter einer Biografie, und als wissenschaftlicher Archivar am Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf verantwortlich für den handschriftlichen Nachlass des Dichters. Der damalige Bundestag begründete 1835 das Generalverbot von Heines Schriften unter anderem damit, dass er mit ihnen „die christliche Religion auf die frechste Art angreife“. Der Düsseldorfer Autor stand sogar beim Vatikan auf dem Index der verbotenen Bücher. Heine sei kein „Gottsucher“ gewesen, schreibt Liedtke, und doch habe er kein anderes Buch in seinen Werken so oft zitiert wie die Bibel.
All das erfährt der Leser (erst) im Nachwort des Buches „Heinrich-Heine-Katechismus“, das bei Hoffmann und Campe erschienen ist, dem Verlag, dem schon Heine selbst sein Leben lang treu geblieben war. Zum besseren Verständnis der vorangestellten Texte Heines sollte man das Nachwort vielleicht zuerst lesen. Herrscht doch bei vielen eine gewisse Ratlosigkeit bei der Frage, ob und wie gläubig Heine eigentlich war. Zudem sind die Textfragmente nicht chronologisch geordnet, sondern thematisch, was eine Einschätzung der zeitlichen Entwicklung von Heines Beziehung zur Religion schwerer macht.
Das Verhältnis Heines zur Religion war ambivalent. Er wurde in eine angesehene jüdische Familie in Düsseldorf geboren, ging jedoch auf eine katholische Schule, die einen nachhaltigen positiven Eindruck bei ihm hinterließ. Er studierte schließlich Rechtswissenschaften und konvertierte später zum Christentum. Als Jude hatte er wenig Chancen auf eine Karriere als Jurist. Und so sind beide Religionen in Heines Werk sowohl in der Kritik, als auch in einer lebenslangen Sehnsucht miteinander vereint.
Ein persönlicher Glaube war Heine nicht fremd, besonders in seiner „Matratzengruft“, in der er acht Jahre bis zu seinem Tod krank verbrachte. Die institutionalisierte Religion indes schonte er in seiner Kritik nicht. So geht etwa der bekannte Ausspruch von Karl Marx von Religion als „Opium für‘s Volk“ auf Heine zurück, der schrieb: „Heil einer Religion, die dem leidenden Menschengeschlecht in den bitteren Kelch einige süße, einschläfernde Tropfen goss, geistiges Opium, einige Tropfen Liebe, Hoffnung und Glauben!“ Marx muss diese Worte ironisch verstanden haben.
„Gott war immer der Anfang und das Ende aller meiner Gedanken“
In einem Brief schrieb Heine 1827: „Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.“ Und acht Jahre später: „Gott war immer der Anfang und das Ende aller meiner Gedanken.“ Bei all seiner Kritik an der Kirche ließ er es nie an Respekt für den christlichen Glauben vermissen: „Diese Religion war eine Wohltat für die leidende Menschheit während achtzehn Jahrhunderten.“ Besonders der leidende Christus hat es dem Dichter angetan, der selbst mit zunehmendem Alter unter Krankheit litt. „Ewiger Ruhm gebührt dem Symbol jenes leidenden Gottes, des Heilands mit der Dornenkrone, des gekreuzigten Christus, dessen Blut gleichsam der lindernde Balsam war, der in die Wunden der Menschheit herabrann“, schrieb Heine 1835.
Auch für Martin Luther hat der Dichter nur lobende Worte übrig. So attestiert er dem Reformator, bei allen politischen und gesellschaftlichen Unruhen rund um seine Schriften damals wohl als einziger nicht an sich oder an irdische Gewinne gedacht zu haben, sondern nur an die göttlichen Interessen. „Die Franzosen verstehen Luther nicht, weil er nicht nur der größte, sondern auch der deutscheste Mann unserer Geschichte ist“, stellt Heine fest und lobt: „Der Protestantismus hatte den günstigsten Einfluss auf jene Reinheit der Sitten und jene Strenge in der Ausübung der Pflichten, welche wir gewöhnlich Moral nennen.“
Dass er aus beruflichen Gründen zum Christentum konvertierte, bereute der Dichter später. Der Jude in ihm sei „nie abzuwaschen“. Und doch hegte er stets und mit zunehmendem Maße Sympathie für den christlichen Glauben. Einige Jahre vor seinem Tod schrieb er im Nachwort zum „Romanzero“ über seine Rückkehr zum Glauben: „Wie mit der Kreatur, habe ich auch mit dem Schöpfer Frieden gemacht, zum größten Ärgernis meiner aufgeklärten Freunde, die mir Vorwürfe machten über dieses Zurückfallen in den alten Aberglauben, wie sie meine Heimkehr zu Gott zu nennen beliebten.“ Seine Zerrissenheit in Sachen Glaube war dem Dichter durchaus bewusst. „Man hat mir vorgeworfen: ich hätte keine Religion“, schrieb Heine. „Nein, ich habe sie alle.“
Christian Liedtke (Hrsg.): „Heinrich-Heine-Katechismus“, Hoffmann und Campe, 256 Seiten, 18 Euro, ISBN: 9783455001846
Von: Jörn Schumacher