Der Amerikaner John MacArthur gilt vor allem wegen seiner auch in Deutschland verbreiteten Studienbibel als einer der versiertesten Bibelausleger seiner Zeit und genießt hohes Ansehen unter Evangelikalen. Gleichwohl gibt sich der Pastor einer Gemeinde und Autor zahlreicher Bücher immer wieder streitbar: Als Calvinist vertritt MacArthur die Lehre, dass Gott vor Erschaffung der Welt Menschen zu Heil oder Verdammnis vorherbestimmt hat, die Menschen sich also im Endeffekt nicht frei für oder gegen den Glauben an Jesus entscheiden können – eine Minderheitenposition unter Evangelikalen.
Zudem lehnt er charismatische Strömungen im Christentum vehement ab und attackiert in seinen Predigten immer wieder in drastischer Art und Weise andere Pastoren, unter anderem, wenn er diese als „Wohlstandsprediger“ identifiziert. So sagte MacArthur beispielsweise über Joel Osteen, den Pastor von Amerikas größter Gemeinde, dieser würde den wahren Gott und den wahren Christus hassen.
Sind Flüchtlinge die „Nächsten?“
Es schadet nicht, um diesen Hintergrund des Autors zu wissen, auch wenn sein bei Gerth Medien auf Deutsch erschienenes Buch „Gleichnisse“ inhaltlich kaum kontrovers sein sollte. MacArthur untersucht in seinem Buch neun Gleichnisse Jesu und legt diese sorgfältig und umfangreich aus. Zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter etwa erklärt MacArthur, dass die entscheidende Frage nicht laute: „Und wer ist mein Nächster?“, sondern stattdessen: „Wessen Nächster bin ich?“ Die Antwort sei: „der von jedem, der in Not ist“. Der Samariter und der Jude, dessen Leben er rettete, waren ursprünglich Feinde – dennoch zeigte er Erbarmen. MacArthurs Kapitel zu diesem Gleichnis ist besonders für diejenigen lesenswert, die in der Flüchtlingskrise argumentieren, „Nächste“ seien nur die Menschen, die auch hier oder in der Nähe leben – eine Argumentation, die nicht haltbar ist.
„Gleichnisse“ ist ein Sachbuch, das sich leicht verständlich und kurzweilig lesen lässt. MacArthurs klare Sprache bringt den Kern des Evangeliums dabei immer wieder auf den Punkt. „Die Verurteilten denken, sie wären gut. Die Geretteten wissen, dass sie schlecht sind“, schreibt der Pastor. „Die Verurteilten glauben, das Reich Gottes sei für diejenigen bestimmt, die seiner würdig sind. Die Geretteten wissen, dass das Reich Gottes für diejenigen bestimmt ist, die begriffen haben, wie unwürdig sie sind.“
Kleine Schwächen sind zu verschmerzen
Schade ist, dass das Gleichnis vom verlorenen Sohn im vorliegenden Buch fehlt – darüber hat MacArthur ein eigenes Buch geschrieben. Typisch für den Autor ist, dass er häufig das Adjektiv „zweifellos“ verwendet, wo stattdessen ein „wahrscheinlich“ oder „vermutlich“ gutgetan hätten – etwa dann, wenn er sich in die Gedanken der jeweils handelnden Personen hineinversetzt.
Die tiefgehenden und kompromisslosen Auslegungen MacArthurs sind ein Gewinn für alle Leser, für die die Worte Jesu Autorität haben und die diese besser verstehen wollen. „Das Evangelium kann erst dann zu einer wirklich guten Nachricht für den Sünder werden, wenn er die schlechte Nachricht des Gesetzes begriffen hat“ – pointierte Worte wie die von John MacArthur können auf eine wohltuende Art herausfordernd sein. Die Worte von Jesus, das ist sein Herzensanliegen, sind noch heute aktuell für jeden Menschen. (pro)
Von: mb