Der gläubige Geigenbauer Martin Schleske hat ein drittes Buch veröffentlicht. Darin führt er den Leser auf spannende Weise in sein Atelier und zieht Vergleiche zwischen dem Geigenbau und dem Leben. Ob er den Bogen dabei etwas überspannt? Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Foto: adeo Verlag
Martin Schleske ist Geigenbauer von Beruf und Prediger von Berufung
Es gibt christliche Bücher, die kapitelweise tiefe Gedanken enthalten, die dem Autor auf dem Spaziergang, bei der Bibellektüre oder im Gebet gekommen sind. Da wird jeder Fluss zum Gleichnis, ein Baum zum Gesprächspartner, und eine kleine Idee zur tiefen Lebensweisheit. Martin Schleske ist Geigenbauer mit Diplom in Physik, tiefgläubig und sehr bewusst in dem, was er tut. Der Geigenbau ist für ihn viel mehr Gottesdienst als Broterwerb. Sein drittes Buch „Herztöne“ ist in der ersten Hälfte zunächst kein solches schwärmerisches Andachtsbuch mit Meditationen vom Waldspaziergang. Im zweiten, sehr predigenden Teil wünscht man sich indes dann doch oft wieder den Geigenbauer zurück.
Der in Stuttgart geborene Schleske hatte vom siebenten Lebensjahr an Geigenunterricht, vollendete eine Ausbildung an der Geigenbauschule Mittenwald und machte ein Diplom in Physik. Etwa 20 Instrumente, Geigen, Bratschen und Violoncelli, verlassen jedes Jahr sein Meisteratelier nahe München. Sein neues Buch „Herztöne. Lauschen auf den Klang des Lebens“ beschreibt die spirituelle Dimension, die der Geigenbau für den Meister hat. „Das Instrument soll dem Musiker eine Stimme sein. Diese Vorgänge berühren die Tiefen der menschlichen Seele so sehr, dass man mit bloßem Wissen hoffnungslos verloren wäre“, schreibt er. Schleske, der es wunderbar versteht, seine tiefen Gedanken zu seinem Handwerk in Worte zu fassen, findet stets blitzschnell Verbindungen zwischen dem Geigenbau und dem Leben an sich. „Meine Arbeit an der Werkbank und im Labor ist Gebet“, schreibt er. Es ist ein Buch, das kaum jemand wieder weglegen kann, der Musik liebt. Es ist Schleskes drittes Buch nach „Der Klang – Vom unerhörten Sinn des Lebens“ (2010) und „Klangbilder – Werkstattgedanken“ (2011). Wie seine Vorgänger enthält auch „Herztöne“ Fotos von Donata Wenders, der Ehefrau des Filmemachers Wim Wenders.
Die Geige – „das sinnlichste Gleichnis für den Heiligen Geist“
Aber könnte nicht auch jeder andere Handwerker tiefsinnige Parallelen ziehen zwischen der Arbeit und dem Leben an sich, ja, jeder arbeitende Mensch? Es gibt keinen Grund, das Geigenbauen als besonders geeignet dafür anzusehen. Auch ist es etwas forsch, wie Schleske zu behaupten: „Musiker sind anders als normale Menschen.“ Letztenendes erfüllt auch Schleske Aufträge für einen Kunden, wie ein Grafikdesigner ein Logo für ein Unternehmen gestaltet. Beim Verhältnis zum Kunden ist stets Einfühlungsvermögen und Geduld vonnöten. Bei Schleske klingt es dann so: „Ein Geigenbauer muss sich nicht nur in die Holzfasern, sondern auch in die innersten Fasern der Musikerseele einfühlen können; er muss nicht nur ein guter Handwerker, sondern auch ein Meister der seelischen Welten sein.“ Aber der Meister sagt selbst: Dass er durch Gleichnisse des Geigenbaues spricht, bedeute nicht, dass der Geigenbau etwas Besonderes gegenüber den anderen Dingen des Lebens wäre, „sondern schlicht, dass es der Bereich ist, den ich liebe“, und: „Nur das, was wir lieben, kann uns zu einer Schule des Lebens werden und uns lehren.“ Und weil er gut zuhören kann, kann er uns davon berichten, was sein Handwerk ihm zu sagen hat.
So ist es etwa faszinierend, wie Schleske aus der Tatsache, dass sein Beruf scharfes Werkzeug verlangt, Erkenntnisse für den Menschen ableiten kann: Manchmal denken wir, „es geht schon noch“. Doch wenn wir uns zwischendurch nicht Zeit nähmen, damit Gott unser Herz schärfen könne, werde es immer stumpfer, und am Ende gehe die Arbeit nicht mehr gut von der Hand. Und immer wieder ist da der Vergleich zwischen einem Instrumenten und einem Menschen: „Wenn ein Instrument verstimmt ist, nützt es nichts, noch inbrünstiger zu spielen. Man muss das Instrument vor dem Spielen stimmen.“ Als Geigenbauer wisse er: „Jedes Holz hat seinen Faserverlauf, seine Geschichte, seine Eigenheiten und Verletzungen. Das muss ich spüren, um das Holz zum Klingen zu bringen. Doch dazu braucht es Barmherzigkeit mit dem Gegebenen.“ Und der Klang einer guten Geige ist für ihn „das sinnlichste Gleichnis für die Erfahrung des Heiligen Geistes“.
„Dein Glaube ist wie die gespannte Saite einer Geige“
Schleskes Buch ist also einerseits ein Andachtsbuch, andererseits ein spannender Einblick in den Instrumentenbau, wobei der predigende Teil deutlich überwiegt. Im zweiten Teil entfernt sich der Autor immer weiter von seinem Handwerk. Wer sich mehr für die praktische Seite des Geigenbaus, die Physik dahinter und die Forschungsarbeit interessiert (die Schleske in einem eigenen Labor betreibt), für den besteht Gefahr, dass ihm das Buch zu sehr wie eine Ansammlung von Kalendersprüchen vorkommt. („Es lohnt sich nicht, für ein harmloses Mittelmaß zu leben, zu arbeiten, zu spielen“, „Dein Glaube ist wie die gespannte Saite einer Geige; sie wird in Schwingung versetzt“, „Wie der Dialog zwischen Bogen und Saite, so ist auch das Wechselspiel mit Gott.“)
Diese Leidenschaft, die in Richtung Pathos geht, verstärkt sich in der zweiten Hälfte des Buches, in der Schleske Erinnerungen und Meditationen aus Gebetszeiten, Bibelzeiten und Besuchen im Wald gesammelt hat. Dass die Pause und die völlige Entspannung zwischen den Arbeitsphasen wichtig ist, bedarf nicht unbedingt der expliziten, christlichen, ausführlichen Ausarbeitung zum Thema „Stille“. Bibelworte folgen auf Zitate von Philosophen oder Peter Sloterdijk. Da ist von der „Thora des Lebens“ die Rede oder von einem Freund, der nicht einfach nur ein Freund ist, sondern ein „Gottesermöglicher“.
Dennoch ist Schleskes Buch ein wertvolles Buch, das um das genaue Zuhören wirbt, das in der Stille eine größere Kraft sieht als im schwallenden Zupredigen anderer Menschen, die es zu belehren gilt. Ein schönes Buch mit einem Einband, der täuschend echt wie Holz aussieht, mit sehenswerten Fotos Donata Wenders aus der Werkstatt Schleskes, die viel mehr ist als eine Produktionsstätte von Geigen. (pro)
Martin Schleske: „Herztöne. Lauschen auf den Klang des Lebens“, adeo, 368 Seiten, 22,99 EUR, ISBN 9783863340766
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Eine Antwort
Vielen Dank für den Artikel! Mein Vater war lange Zeit in einem kleinen Unternehmen für Geigenbau angestellt. Daher wurde mir die Liebe zu dem Instrument ein wenig in die Wiege gelegt, genau wie mein Glaube. Ich finde, es ist sehr schön zu lesen, dass man Religion und Geigenbau in so einem Buch vereint hat. https://www.geigenbau-winterling.de/streichinstrumente-aus-hamburg/-geigen-und-violinen-aus-hamburg/geigenbau-geige-reparieren/