Kommissar Bachhuber ist eine Seele von Mensch. Mit Religion hat das Oberstdorfer Urgestein aber nicht wirklich viel am Hut. Dies ändert sich mit seinem ersten Fall, dem Mord an einer jungen Frau mit christlichem Hintergrund. Der Roman „Gnadenzeit“, in dem Bachhuber ermittelt, ist das fiktionale Erstlingswerk des Theologen Jürgen Mette.
Das Opfer Lydia Weber hatte keine leichte Kindheit. In ihrer Familie wurde eine „Du-darfst-nicht-Religion“ vermittelt, was zu vielen seelischen Verletzungen geführt hat. Bei einem Jahr im Ausland weitet sich ihr theologischer Horizont und sie lernt einen Glauben ohne Denkverbote kennen.
Von unantastbaren Gemeindeleitern und Denkverboten
Zurück in Deutschland holt Lydia Weber die Realität ein: Der Leser erfährt die Abgründe im Leben des sonst „unantastbaren“ Gemeindeleiters August Haupt. Die beeinflussen nicht nur seine Familie, sondern auch die des Opfers. Als die Leiche von Lydia Weber im Oytal im Allgäu entdeckt wird, tauchen die Polizisten ins geistliche „Milieu der Denkverbote“ ein. Auch Kommissar Bachhuber muss sich daher mit Glaubensfragen beschäftigen, wenn er den Fall lösen will. Selbst bei dienstlichen Gesprächen ist der Glaube immer mal wieder ein Thema. Die Ermittlungen führen die Polizisten in die pfälzische Provinz und dann auf die französische Insel Korsika. Im Laufe des Mordfalls schälen sich zwei Tatverdächtige heraus, manche emotionalen Dämme brechen. Schuld, Unrecht und geistlicher Missbrauch werden benannt. Unterdrückte Sehnsucht führt sogar zu einem Selbstmordversuch. Aber es gibt auch Protagonisten, die zum ersten Mal im Leben spüren, völlig frei zu sein. Als der Leser sich eigentlich schon sicher sein kann, wer der Mörder ist, kommt es zu einer Wendung, weil doch noch ein anderer Rache nehmen will für alle erlittenen Zurückweisungen.Polizeiliche Expertise im kirchlichen Milieu
Der Polizei hilft die Expertise einer Kommissarin im kirchlichen Milieu. Sie betont, dass die Täter nicht nur vor einem weltlichen Gericht Rechenschaft ablegen müssten, sondern auch vor einer „letzten Instanz, die nicht von dieser Welt ist“. Am Ende des Buches wird deutlich, wie Versöhnung möglich ist, bevor es doch noch einmal zu einer Überraschung kommt. Und auch im Leben von Kommissar Bachhuber und seinem Glauben hat ein Umdenken stattgefunden Mettes Erstlingswerk ist eine unterhaltsame Lektüre, bei der nicht alles so vorhersehbar ist, wie es der Leser zu denken meint. Er thematisiert einige heiße Eisen wie religiöse Fehlentwicklungen, die nicht rechtzeitig erkannt wurden. Mette macht auch nicht Halt vor Schuld, Unrecht und geistlichem Missbrauch, der in die Geschichte mit einfließt. Am Ende steht dann doch die „Gnadenzeit“ an. Jürgen Mette war bis zu einer Parkinson-Erkrankung 2013 Vorsitzender der Stiftung Marburger Medien. Er engagiert sich in den Führungsgremien der Studien- und Lebensgemeinschaft Tabor, des Bibellesebunds und bei Willow Creek. Außerdem gehört der verheiratete Vater von drei Söhnen zum Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz. (pro)Jürgen Mette: „Gnadenzeit“, Gerth Medien, 224 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 9783957340276