Der greise katholische Theologe Hans Küng war immer auf Tuchfühlung mit dem Heiligen Stuhl in Rom. Oft lag er im Clinch mit dem Papsttum und der Kurie, nie hat er seiner Kirche den Rücken gekehrt. In seinem Buch „Sieben Päpste“ resümiert der Schweizer persönliche Eindrücke von sieben Pontifikaten. Eine Rezension von Norbert Schäfer.
Der katholische Theologe Hans Küng schreibt über sieben Päpste, die er selbst erlebt und begleitet hat
Hans Küng wurde 1928 in Sursee, einem Ort im schweizerischen Kanton Luzern, geboren. Nur 11 Monate früher erblickte im etwa 500 Kilometer entfernten oberbayerischen Ort Marktl, am Inn gelegen, ein anderer Junge das Licht der Welt. Beide werden ihr Leben der Katholischen Kirche widmen, ihre Lebenswege werden sich verschiedentlich kreuzen. Der eine, Hans Küng, wird als Kritiker der Päpste und des mittelalterlichen Papsttums in die Kirchengeschichte eingehen. Der andere, Joseph Ratzinger, wird selbst als Papst Benedikt XVI. maßgeblich Einfluss ausüben auf die Katholische Kirche im 21. Jahrhundert.
In seinem Buch „Sieben Päpste“, erschienen im Piper Verlag, beschreibt Hans Küng anhand von Erinnerungen, Korrespondenzen und persönlichen Begegnungen mit den Päpsten und höchsten kirchlichen Würdenträgern seine Sicht des Papsttums und der Katholischen Kirche. Er beginnt mit Papst Pius XII., unter dessen Pontifikat er einst als Pilgerführer im Vatikan tätig war und so dem Papst sehr nahe kam, und endet mit einer Korrespondenz mit dem aktuellen Pontifex Franzikus. Insgesamt kann der Autor auf sieben Pontifikate zurückblicken, die er selbst miterlebt und begleitet hat. Küng ist einer von wenigen verbliebenen Geistlichen, die von 1962 bis 1965 als Konzilstheologen am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen haben, das von Papst Johannes XXIII. einberufen worden war. Auch Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., war zu dieser Zeit Teil jener Versammlung, die die Anpassung der Kirche an die moderne Welt als Aufgabe hatte.
Küng bemängelt in seinem Buch, dass wichtige Beschlüsse des Konzils bislang nicht verwirklicht wurden, weil nachfolgende Päpste, unter ihnen sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI., dies zu verhindern gewusst hätten.
Christus als Maß
Küng schildert, wie ihn der Wunsch nach Anpassung der Kirche und des Papsttums an die moderne Welt auf der Grundlage des Neuen Testamentes und dem Vorbild von Jesus Christus begleiten und antreiben. In chronologischer Abfolge beschreibt er von Papst zu Papst seine Sicht auf und Kritik an der Katholischen Kirche zur jeweiligen Zeit. Küng legt als Bewertungskriterium der Pontifikate „die Nähe zum Evangelium Jesu Christi“ an, auf die sich „alle Stellvertreter Christi zumindest theoretisch berufen“ sollten.
Die Christlichkeit der Päpste bemisst der Autor „an den christlichen Urintentionen, letztlich an dem Jesus Christus selber, wie er in den neutestamentlichen Schriften mit einem unverwechselbaren Profil bezeugt ist“. Beispielsweise über Johannes XXIII. schreibt Küng: „Ein Papst, der ganz authentisch Christ ist – das ist die Sensation! Statt Wundertaten Werke der Barmherzigkeit: Wahrhaftig, wer von seinen Vorgängern hat je als Papst persönlich Arme besucht, Kranke in Spitälern getröstet, Priester, die in ihrem Leben Schiffbruch erlitten, aufgesucht?“ Küng geht vor allem mit den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ins Gericht. Unter der 35-jährigen Ägide der „Restaurationspäpste aus Polen und Deutschland“ hätte es keiner der fast 5.000 Bischöfe gewagt, die „nötigen Strukturreformen unerschrocken anzumahnen“.
Küng erlebt als junger Mann im „Germanikum“, dem Priesterseminar in Rom, das vatikanische Hofprotokoll und er stellt sich hier vermutlich erstmals die Frage: „Was hat das alles mit Christus zu tun?“. Beispielhaft schildert er, war auf den vatikanischen Limousinen steht – die Abkürzung SCV für „Stato e Citta del Vaticano“ – und was die Römer scherzhaft dazu sagen: „Se Cristo vedesse. – Wenn dies Christus gesehen hätte.“ Antworten auf diese Fragen suchte und provozierte er. Weil er auch die Unfehlbarkeit des Papstes in Frage stellt, wird ihm 1979 von der Deutschen Bischofskonferenz, während des Pontifikats von Johannes Paul II., die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
Reformfreude erkennbar
Korrespondenzen mit Päpsten, dem Episkopat und kirchlichen Würdenträgern geben Einblick in das Denken Küngs, seine Kritik an der Katholischen Kirche und die Reaktionen der Kirchenoberen von 1939 bis heute. Abschließend stellt Küng die Frage, welches Papsttum eine Zukunft hat. Seine Prognose: „Ein Primat des Bischofs von Rom macht also durchaus Sinn in der Kirche, wenn er nicht traditionalistisch vom mittelalterlichen Paradigma, sondern authentisch vom Neuen Testament her verstanden und ausgeübt wird.“ Küng diagnostiziert unter dem derzeitigen Papst „Zeichen der Reformfreudigkeit auch unter Bischöfen“ und ist darauf gespannt, „welche Überraschungen der Pontifikat von Papst Franziskus noch für die katholische Kirche der Welt bereithält“.
Hans Küng gibt in seinem Buch in komprimierter Form persönliche Einblicke in mehr als 70 Jahre katholische Kirchengeschichte und wie diese aus seiner Sicht von den jeweiligen Päpsten geprägt wurde. Der kluge Kritiker poltert nie, würdigt differenziert individuelle Verdienste und auch besondere Begebenheiten. So schildert er, trotz reichlicher Kritik an Papst Benedikt XVI., von einem Treffen in liebenswürdiger, aufmerksamer und freundlicher Atmosphäre mit dem Papst in dessen Sommerresidenz Castel Gandolfo. Wer wird nach Küng den Platz als „Rufer in der Wüste“ einnehmen, der dem Evangelium und seiner Kirche ergeben, auf Missstände und nötige Reformen hinweist? (pro)
Hans Küng: „Sieben Päpste. Wie ich sie erlebt habe“, 384 Seiten, Piper-Verlag, 24,- Euro, ISBN 978-3492056878
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