In seinem Buch „Mit dir. Für dich. Vor dir.“ will der umstrittene Ex-Pastor Rob Bell erklären, was Gott ist – und was nicht. Statt christlicher Theologie bietet er eine Mischung aus Physik und Poesie, verpackt in esoterische Rhetorik. Eine Rezension von Moritz Breckner
Rob Bell vermarket seine sehr persönliche und recht eigenwillige Sicht auf Gott. Auch sein neues Buch bietet Anlass zum Stirnrunzeln
Ein neues Buch von Rob Bell – das verspricht Zündstoff. Der amerikanische Theologe gilt als Liebling der Emerging-Church-Bewegung, stellt die Existenz der Hölle in Frage und propagiert nach Leseart vieler Kritiker die Allversöhnung. Praktizierte Homosexualität findet er in Ordnung, seine simple Begründung: „Ich denke, der Zug ist abgefahren. Das ist die Welt, in der wir leben, und wir müssen die Menschen bejahen, wo auch immer sie sind.“ Der konservative Theologe Matt Walsh schrieb einst über Bell: „Sein Gottesbild entspricht dem eines rückgratlosen und unsicheren Elternteils, das Regeln aufstellt, und diese widerruft, sobald die verwöhnte Brut mit dem Fuß aufstampft und rumheult.“ Und dieser Rob Bell will nun laut Buchtitel erklären, was Gott ist und was nicht?
Der Inhalt des Buches ist nicht schnell zu erklären. Bell vergleicht Gott zunächst mit einem Oldtimer, der heute nur noch als Überbleibsel aus einer vergangenen Ära existiert. „Er konnte nicht mit der Zeit Schritt halten und wurde allmählich zu etwas Vergangenem“, attestiert Bell. Als Beleg nennt er Menschen aus seinem Bekanntenkreis, die das Christentum komisch finden – so etwa eine Akademikerin, die in einer Predigt gehört hat, dass Frauen in der Gemeinde nicht lehren sollten. Über das erste Drittel des Buches erklärt er dann physikalische Fakten über das Universum und die Erde, über Atome und Photonen. Ziel dieser Ausführungen ist es offenbar, nicht-gläubigen Lesern zu zeigen, dass auch die moderne Wissenschaft nicht alles erklären kann und es so eben doch einen intellektuellen Raum für die Existenz Gottes gibt. So weit, so gut – und darüber, dass Bell wie selbstverständlich die evolutionistische Entstehung des Lebens adaptiert, sei in diesem Kontext einmal großzügig hinweggesehen.
Gott als Energie, die „für uns“ ist
Bell fährt damit fort zu erklären, dass Gott in der Welt allgegenwärtig ist. Ausgehend von einer Bibelstelle im Hebräerbrief klingt es fast schon esoterisch, wenn Bell beschreibt, was die Hebräer mit Gottes Gegenwart meinten: „Sie sprachen über all das Leben, die Lebendigkeit und Kreativität, die Sterne und Felsen, das Reden und Pasta und Tränen und Wale und die eine einzige, gemeinsame, schöpferische, sie erhaltende Quelle – Gott –, die allem Kraft und Lebensenergie verleiht und alles erhält. Und dieses alles schließt uns mit ein.“
Zum eigenwilligen Schreibstil des Autors gehört es auch, sehr oft unnötige Zeilenumbrüche zu verwenden, und so immer mal wieder eine halbe Seite zu füllen. Das soll offenbar andächtig und poetisch wirken, wie auch Bells blumige Rhetorik, die etwa bei der Beschreibung der menschlichen Existenz so klingt: „Wir sind dieser eigenartige, exotische Cocktail aus Staub und Quarks und Blut und Seele und all dem, für das es keine Worte gibt. Wir enthalten unendliche Tiefenstrukturen, Dimensionen und Geist, sind ungefiederte Zweifüßer, die sich streiten und entzweien über alle möglichen Dinge, die letztlich völlig bedeutungslos sind.“
Nach zahlreichen bedeutungsschwer vorgetragenen Anekdoten, die Bell beim Schnorcheln, Skaten oder Wasserski erlebt und die ihn an Gott erinnert haben, will der Autor am Ende des Buches dargelegt haben, dass „derselbe schöpferische Knall, der das Universum schuf, in uns entfesselt wird, und zwar durch unser Vertrauen darauf, was Gott durch Jesus in der Welt tut“. Dies sei eine „außergewöhnliche Schöpfungsenergie“, die ohne Weiteres verfügbar und immer auf unserer Seite sei.
Ohne Sünde braucht es kein Kreuz
Unweigerlich erinnert sich der Leser an die Personen, die Bell zu Beginn als Skeptiker angeführt hat. Hilft ihnen dieses eigenwillige Buch, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden? Vielleicht spornt sie der erste Teil des Buches an, neu über Gott nachzudenken. Und dann? Statt die Fragen seiner Beispielfiguren nach Frauenordination und Homosexualität aufzugreifen und weigstens zu erklären, warum es darüber unter Christen Diskussionen gibt, verstrickt sich Bell in esoterisch klingenden Phrasen, die er zwar mühsam von einzelnen Bibelstellen ableitet, die aber mit der biblischen Beschreibung des persönlichen Gottes wenig gemein haben. „Wenn wir aber von Gott sprechen, sprechen wir von der schlüssigen Behauptung, dass alles eine einzelne, allgemeine Quelle hat und unbegrenzt, endlos, zutiefst miteinander verknüpft ist“, schreibt der ehemalige Pastor einer Großkirche.
Warum geht Bell so vor? Der deutsche Autor und Theologe Jürgen Mette prophezeit in seinem überaus lobenden Vorwort, dass sich Bells Kritiker wahrscheinlich dem amerikanischen Theologen Michael Kruger anschließen werden, der in seiner Rezension schrieb, Bell spreche nicht vom Gott der Christen. In der Tat lohnt es, sich mit den Ausführungen Krugers näher zu beschäftigen. Denn der Professor für Neues Testament entlarvt sehr überzeugend, was Bell mit seinem Buch anrichtet: Der progressive Theologe demontiert die gängigen christlichen Bilder von Gott und erklärt anschließend, wie wenig der Mensch über Gott wissen könne, um hinterher sein eigenes Gottesbild auf die Leinwand zu malen. Und bei diesem Gottesbild fehlt alles, was dem postmodernen Gläubigen auch nur die geringste Bemühung abfordert. Eine Energie, die für uns ist, ist schließlich leichter zu akzeptieren als ein Vater, der zur Sündenvergebung das Opfer am Kreuz braucht. Auch wenn Bell sich auf Jesus beruft: Das Problem der Sünde und die Konsequenzen daraus enthält er seinen Lesern vor. Bell schreibe über Jesus, Vergebung und Schuldbekenntnis, „aber unglaublicher Weise entleert er jeden dieser Begriffe seiner biblischen Bedeutung und füllt ihn mit postmoderner Spiritualität“, erklärt Kruger.
Ist dieses Buch, das zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung in den USA nun am Donnerstag auf deutsch erscheint, also wenigstens als Einstiegsliteratur für „Sinnsucher“, wie es der Verlag hofft, zu empfehlen? Nein. Wer sich dem Christentum skeptisch annähern will, der ist bei populären Apologeten wie Lee Strobel („Der Fall Jesus. Ein Journalist auf der Suche nach der Wahrheit“) besser aufgehoben als bei Rob Bell, dessen sonderbare Ansichten nicht salonfähig werden sollten. (pro)
Rob Bell: „Mit dir. Für dich. Vor dir. Was Gott ist. Und was nicht.“ Gerth Medien, 240 Seiten, 14,99 Euro. ISBN 9783957340665
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