Kruzifix darf hängen

Kruzifixe dürfen nun doch in Klassenzimmern hängen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Freitag entschieden und damit sein Urteil aus dem Jahr 2009 revidiert. Die Katholische Kirche begrüßte die Entscheidung ebenso wie die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.

Von PRO

Im Jahr 2009 hatte eine Klägerin vor dem Gerichtshof Recht bekommen, die die Kreuze aus Klassenzimmern verbannt sehen wollte. Nun ist das umstrittene Urteil endgültig aufgehoben worden. Eine Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entschied am Freitag in letzter Instanz: Kruzifixe dürfen hängen. Die Präsenz des Kreuzes verletze keine Grundrechte, weder das Recht auf Bildung, noch das Recht auf Religionsfreiheit, zitiert "Spiegel Online" aus dem für die EU-Staaten bindenden Urteil.

Der Streit um das Kruzifix begann 2002. Damals forderte die Klägerin die Schule ihrer Kinder in Abano Terme dazu auf, die Kreuze aus den Klassenzimmern zu entfernen. Die Einrichtung lehnte ab, die Frau zog vor Gericht. Das Verfassungsgericht in Rom urteilte im Jahr 2005, dass das Kreuz bleiben müsse. Daraufhin klagte die Frau vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den Staat Italien. Die Richter in Straßburg erklärten, die Kruzifixe seien eindeutig ein religiöses Symbol. Dies könne für Kinder, die einer anderen oder keiner Religion angehörten, verstörend wirken und "Schüler jeden Alters in ihrer religiösen Erziehung beeinflussen". Zudem müsse die italienische Regierung der Klägerin eine Entschädigung von 5.000 Euro für moralische Schäden zahlen.

Die italienische Regierung reagierte empört: Das Urteil sei "ein besorgniserregendes Signal der antispirituellen Tendenzen in Europa", warnte der italienische Europaminister Andrea Ronchi im italienischen Fernsehen. Die Regierung unter Premierminister Silvio Berlusconi werde gegen das Urteil Berufung einlegen, so der Minister. Auch der Vatikan wehrte sich heftig gegen die Entscheidung: Das Urteil sei mit "Erstaunen und Bedauern" zur Kenntnis genommen worden, hieß es. "Es scheint, als wolle man die Rolle des Christentums für die Formung der europäischen Identität leugnen", erklärte Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi.

Auch in Deutschland stritt man schon über das Kruzifix. 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht die Anordnung der bayerischen Volksschulordnung zur Anbringung von Kreuzen aufgehoben. Die Regelung verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht, so die Karlsruher Richter. Der bayerische Landtag hatte daraufhin ein neues Gesetz verabschiedet, wonach das Kreuz abgehängt werden muss, wenn ein Erziehungsberechtigter dem Anbringen des Kreuzes aus Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung widerspricht.

Politik und Kirche begrüßen Urteil

Der Vatikan hat das Straßburger Urteil zugunsten des Kruzifixes im Klassenzimmer mit Genugtuung aufgenommen. "Es handelt sich um ein wichtiges Urteil, dass Geschichte machen wird", erklärte Vatikanpressesprecher Federico Lombardi laut Deutscher Presseagentur (dpa). "Die Entscheidung erkennt an, dass die Menschenrechtskultur nicht in einen Widerspruch mit den religiösen Fundamenten der europäischen Zivilisation gestellt werden darf", sagte Lombardi weiter. 

Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßte die Entscheidung des EU-Gerichtshofs bereits am Freitag: "Das Kreuz ist in besonderer Weise Symbol der wesentlich christlich mitgeprägten europäischen Kultur und ihrer Werte", hieß es, und weiter: "Der Staat muss sich, wenn er nicht seine Identität verlieren will, zu seinen Wurzeln, Werten und Traditionen bekennen können, freilich ohne jemandem eine Religion aufzuzwingen. Das Anbringen eines Kreuzes in einem Klassenzimmer wie auch allgemein religiöser Symbole im öffentlichen Raum ist der unaufdringliche Ausdruck des staatlichen Bekenntnisses zu seiner Identität, seinen Wurzeln und zu seinen Werten."

Die Beauftragte der Unions-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth, teilte mit, das Urteil entspreche dem Verständnis der Union von Religionsfreiheit, "dass Glaube nicht nur privat gelebt werden darf, sondern auch im öffentlichen Raum seinen sichtbaren Platz hat". Weiter hieß es: "Für uns ist es selbstverständlich, dass Religion, die in Gemeinschaft gelebt wird, öffentlich sichtbar sein darf und soll: das gilt für Gebäude, in denen Glaubensgemeinschaften zum Gebet zusammen kommen in gleichem Maße wie für die Symbole, die den Anhängern der Religionen wichtig sind: das gilt für Kruzifixe und Kirchen." (pro)

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