Eigentlich ist es für Ärzte kinderleicht. Name und Adresse ihrer Praxis im Onlineformular eintragen, Methoden der Schwangerschaftsabbrüche auswählen, „absenden“. Schon kann die Bundesärztekammer sie in die neu geschaffene Liste der Ärzte aufnehmen, die Abtreibungen anbieten.
Die Liste ist Teil des Kompromisses der Großen Koalition nach einer langen Debatte um Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, der ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vorsieht. Der Bundestag änderte das Gesetz so, dass Ärzte auf ihrer Internetseite angeben dürfen, dass sie Abtreibungen durchführen. Weitere Informationen, etwa über Methoden, dürfen sie nicht aufführen, da dies je nach Formulierung einen werblichen Charakter haben könnte. Diese Informationen stehen allerdings in der neuen Liste der Ärztekammer, in die sich entsprechende Praxen – freiwillig – eintragen lassen können.
Doch bisher haben es nur 87 von ihnen getan. Die meisten Einträge stammen offenbar aus existierenden Listen der Ärztekammern aus Hamburg und Berlin. Nur fünf Praxen finden sich nicht in diesen beiden Städten, drei nordrhein-westfälische und zwei hessische. Dabei nehmen laut Statistischen Bundesamt um die 1.200 Praxen in Deutschland Abtreibungen vor. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will daher die Bundesärztekammer und andere Verbände zu einem Runden Tisch einladen. Die wohl bekannteste Kritikerin des Werbeverbotes, die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel, boykottiert ebenfalls die Liste. Sie will eine komplette Streichung des Paragrafen 219a.
Beratungsstellen geben sowieso Listen aus
Für eine „faktische Desinformation“ hält die SPD-Abgeordnete Nina Scheer die Liste in der bisherigen Form. Daher müsse Paragraf 219a gestrichen werden. Oppositionspolitiker forderten die Sozialdemokraten erneut dazu auf, im Bundestag gemeinsam die Union zu überstimmen.
Das zeigt wieder einmal: Um Informationsfreiheit geht es den Gegnern des Werbeverbots nicht – zumindest nicht in erster Linie. Mit der Liste der Ärztekammer hätten Frauen in Not die Möglichkeit, sogar per Postleitzahlsuche und mit amtlichem Siegel die nächste Praxis zu finden, die Abtreibungen anbietet. In aller Regel erhalten ungewollt schwangere Frauen nach dem verpflichtenden Beratungsgespräch, zum Beispiel bei profamilia, ohnehin eine entsprechende Liste.
Natürlich ist es verständlich, dass manche Praxen aus Furcht vor radikalen Abtreibungsgegnern auf keiner öffentlichen Liste stehen wollen. Sie argumentieren, die Liste mache sie zur Zielscheibe von Demonstranten. Doch sie können ihre Leistung nun auch auf ihrer Homepage angeben – wo sie übrigens leicht zu ergooglen ist – oder gleich ganz verschweigen. Nur: Was würde eine Streichung von Paragraf 219a daran ändern? Natürlich nichts. Es wäre sicher falsch, allen Eintragungsunwilligen gleich die Absicht zu unterstellen, sie wollten die Liste mit ihrem Verhalten ad absurdum führen. Doch wenn zumindest die Ärzte, die angeblich für vollständige Transparenz und volle Informationsfreiheit kämpfen, sich nicht einmal in eine Übersicht eintragen lassen wollen, liegt der Verdacht nahe, dass zumindest einige von ihnen dies aus politischem Kalkül tun.
Die Gegner des Werbeverbots werden nicht ruhen, bis es gestrichen ist – und damit ein wichtiger Baustein eines mühsam errungenen Kompromisses wegbricht, der sowohl das Lebensrecht der Ungeborenen als auch das Selbstbestimmungsrecht von ungewollt Schwangeren im Blick hat. Mehr und mehr sollen so die zum Schutz aller Beteiligten aufgestellten Hürden wie die Beratungspflicht und die Fristenregelung fallen. Damit wäre am Ende weder Frauen in Not noch dem ungeborenen Leben geholfen. Schon deswegen ist es wichtig, Paragraf 219a beizubehalten.