„Es ist der Versuch, unsere Tradition und Herkunft zu verdängen“, wird Bischof Marx in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Focus“ zitiert. Der Einschnitt sei „historisch“, weil der christliche Glaube in Trier seit 1.700 Jahren lebendig sei, sagte Marx. „Trier ist nicht irgendeine Stadt, sondern die Stadt, in der sich die Christen erstmals auf deutschem Boden versammelten“, erklärte Bischof Marx. Er hoffe zudem, dass die Kreuz-Entscheidung nochmals überdacht werde. Das „lautlose Abdrängen des öffentlichen Bekenntnisses zum Christentum“ dürfe nicht einfach so hingenommen werden.
Wegen Renovierung Kreuze abgehängt
Doch um was geht es eigentlich? Schlichtweg um eine Entscheidung des Trierer Landgerichtspräsidenten Wolfgang Krämer. Er hatte kürzlich entschieden, die wegen einer Renovierung des Gerichtsgebäudes abgehängten Kreuze in den Sälen anschließend nicht wieder aufzuhängen.
Insbesondere Abgeordnete der CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz stimmten den Protesten des Trierer Bischofs zu. In einer von der CDU-Fraktion beantragten Landtagsdebatte zur Entfernung der Kreuze aus dem Trierer Justizgebäude warfen Abgeordnete der Partei Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und dem rheinland-pfälzischen Justizminister Heinz Georg Bamberger (ebenfalls SPD) vor, „Beliebigkeit mit Toleranz zu verwechseln und ihrer Verantwortung für die Bewahrung der tragenden Werte und Grundlagen der Rechts- und Gesellschaftsordnung nicht gerecht zu werden“.
„Kreuz steht für Toleranz, Mitmenschlichkeit“
„Das Kreuz steht für Toleranz, Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit und für das christliche Menschenbild. Es ist Ausdruck unserer über Jahrtausende gewachsenen Rechts-, Gesellschafts- und Werteordnung, die unser Denken und Handeln prägt. Kreuze in Gerichtssälen können deshalb der Neutralitätsverpflichtung der Gerichte nicht widersprechen“, meint der Bezirksvorsitzende der CDU Trier, Michael Billen.
Ministerpräsident Beck hat unterdessen kundgetan, dass er die Entscheidung des Trierer Landgerichtspräsidenten so nicht getroffen hätte. „Ich hätte anders entschieden“, sagte Beck laut der Tageszeitung „Die Welt“ auf einem Empfang der katholischen Bischöfe in Mainz. Denn in der Verfassung von Rheinland-Pfalz sei in der Präambel eine „besonders dichte Begründung des Rechts in Bezug auf Gott zu finden“. Dennoch, kritisieren CDU-Politiker weiter, sei Beck nicht bereit, „von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und für die Ausstattung der Gerichtssäle mit Kreuzen zu sorgen.“ Derjenige, der kein Kreuz im Gerichtssaal wolle, habe das Recht, es verhüllen zu lassen. Andere, die auf ein Kreuz im Gerichtssaal wert legten, hätten jedoch „keine Chance auf Erfüllung dieses Wunschs“. Schon aus diesem Grund gehörten Kreuze in die Gerichtssäle, so die CDU- Abgeordneten.
Auch der Trierer Bischof Marx bedauert die Entscheidung des Landgerichts sehr. Laut „Focus“ sieht der Geistliche die Analyse von Papst Benedikt XVI. über die Lage der Kirchen in Deutschland bestätigt. „Die Bundesrepublik Deutschland teilt mit der ganzen westlichen Welt die Situation einer von der Säkularisierung geprägten Kultur, in der Gott immer mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet, die Einzigartigkeit der Gestalt Christi verblasst und die von der kirchlichen Tradition geformten Werte immer mehr an Wirkkraft verlieren.“
Gegen Symbole religiöser Glaubensbekenntnisse
Ganz anders sieht das der Journalist und Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Robert Leicht. Der frühere Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ war von 1997 bis 2003 Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In einem Kommentar für den Berliner „Tagesspiegel“ schreibt Leicht: „In einem weltanschaulich neutralen Staat, in dem Christen nicht nur mit Atheisten, sondern nebst Juden (wieder) auch mit Muslimen (neuerdings) zusammenleben, haben in Räumen, in denen es um staatliche Pflichten und Recht geht, Symbole religiöser Glaubensbekenntnisse nichts verloren.“
Und auch die Klagen von Bischof Marx kann Leicht nicht nachvollziehen. „Zu unserer Tradition gehört eben glücklicherweise auch beides: die Freiheit der Religion von staatlichem Zwang ebenso wie Freiheit der staatlichen Rechte und Pflichten von religiösem Druck.“
Bei allem berechtigtem oder unberechtigtem verbalen Schlagabtausch um die abgehängten und nicht wieder aufgehängten Kreuze im Justizgebäude in Trier zeigt die Diskussion doch eines: Ganz egal ist es vielen nicht, wie mit öffentlichen Glaubensbekenntnissen umgegangen wird.