Kontroverse um „Correctiv“-Bericht geht weiter

Ein Bericht der Medienplattform „Correctiv“ über ein angebliches Geheimtreffen zur „Remigration“ von Ausländern löste im Januar 2024 Empörung und juristischen Streit aus. Ein Jahr danach gibt es neue Klagen.
Von Norbert Schäfer
Das Landgericht Traunstein prüft, ob ein Muslim eine Christin ermordete, weil sie ihm vorschlug zu konvertieren

Im Januar 2024 veröffentlichte das gemeinnützige Rechercheportal „Correctiv“ unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ einen Bericht über ein Treffen, bei dem unter anderem über „Remigration“ von Ausländern diskutiert worden sein soll. An der Veranstaltung in einem Landhotel bei Potsdam im November 2023 hatten den „Correctiv“-Angaben zufolge unter anderem AfD-Mitglieder und Neonazis sowie WerteUnion-Mitglieder teilgenommen. Der Bericht löste bundesweit Empörung und Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus aus. Aber auch Kritik und eine Reihe von Gerichtsverfahren.

Einige Teilnehmer des Treffens, darunter der Jurist Ulrich Vosgerau, sahen sich vor einem Jahr durch die Berichterstattung falsch dargestellt. Vosgerau reichte bereits im Februar 2024 beim Landgericht Hamburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein, dem sieben eidesstattliche Erklärungen beigefügt waren. Das Gericht entschied zugunsten von „Correctiv“, ordnete jedoch an, eine spezifische Aussage über Vosgeraus angebliche Äußerungen zu Wahlprüfungsbeschwerden zu entfernen.

Nun haben Vosgerau und andere Teilnehmer des Treffens erneut Klagen beim Landgericht Hamburg eingereicht. Wie der Anwalt Carsten Höcker mitteilte, zielten diese Klagen diesmal auf Kernbehauptungen des Beitrags. So gehe es unter anderem um die die „falsche Darstellung, in Potsdam sei ein Plan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern Gegenstand gewesen“. Denn ein Plan sei bei dem Treffen nicht diskutiert worden. Auch greift Vosgerau die Aussage an, dass der Rechtsextremist Martin Sellner bei seinem Vortrag die Idee vorgestellt habe, deutsche Staatsangehörige auszubürgern.

Die Rechercheplattform habe mit dem Beitrag andere Journalisten bewusst in die Irre geführt, sodass es in der weiteren Berichterstattung darüber zu Falschbehauptungen gekommen sei, heißt es von Anwalt Höcker weiter.

In der Folge des „Correctiv“-Berichtes gab es 2024 bereits weitere juristische Streitereien. Im Juli 2024 untersagte etwa das Hanseatische Oberlandesgericht dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), zu behaupten, dass auf dem Potsdamer Treffen die Ausweisung deutscher Staatsbürger diskutiert worden sei. „Correctiv“ selbst bezeichnete seinerzeit das erfolgreiche Vorgehen Vosgeraus gegen den Bericht der „Tagesschau“ als „juristisches Scharmützel“, das die eigene Berichterstattung nicht betroffen habe.

Im Oktober 2024 entschied das Landgericht Hamburg dann noch in einem ähnlichen Fall gegen das ZDF. Dem Sender wurde im Herbst des vergangenen Jahres untersagt, bestimmte Aussagen über das Potsdamer Treffen zu verbreiten, die auf der „Correctiv“-Recherche basierten.

War „Wirkung“ das Ziel?

Trotz dieser gerichtlichen Entscheidungen blieben die Kernaussagen des „Correctiv“-Berichtes nach Ansicht der Redaktion unangefochten. Die Enthüllungen führten neben einer breiten öffentlichen Debatte über Rechtsextremismus und die sogenannten „Remigrations“-Pläne in Deutschland auch zu Diskussionen über das Selbstverständnis und die Glaubwürdigkeit von Journalismus.

So kritisierte etwa der Medienjournalist Stefan Niggemeier gemeinsam mit Christoph Kucklick und Felix Zimmermann bei „Übermedien“, dass der „Correctiv“-Bericht „wenig Handfestes“ liefere, beständig „Zweifel an sich selbst“ säe und mit einer „Kombination aus Nichtbeleg und Großdeutung“ massive Vorwürfe erhebe. Die Autoren urteilten über den Artikel, der mit dem „Leuchtturm“-Preis des Netzwerks Recherche ausgezeichnet wurde: „Er unterstellt, statt zu belegen, er raunt, statt zu erklären, er interpretiert, statt zu dokumentieren.“

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ stellt in der aktuellen Ausgabe die Frage „Was genau geschah in Potsdam?“ und rollt in einem Artikel die Geschichte um das Treffen noch einmal auf. Dazu hat die Zeitung eigenen Angaben zufolge mit den Redakteuren und Rechercheuren von „Correctiv“ sowie deren Anwalt gesprochen, zudem mit einigen der namentlich genannten Teilnehmern des Potsdamer Treffens.

Die Autoren schreiben: „Was aus ‚Correctivs‘ Sicht in Potsdam gemeint gewesen sei, nimmt in dem Text viel Raum ein. Was tatsächlich gesagt wurde, wird dafür an den entscheidenden Stellen nur sehr knapp wiedergegeben.“ Warum der Text dennoch so aufgeschrieben wurde, erklären sich die „Zeit“-Journalisten mit dem Anspruch „Correctivs“ an sich selbst: „Das als gemeinnützig eingestufte Medienhaus legt großen Wert darauf, dass seine Recherchen eine Wirkung entfalten.“

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen