Die Regierung findet es unnötig, auch in der Bevölkerung schwindet die Zustimmung dafür: Am Sonntag stimmen die Schweizer über ein Verbot der Ganzkörperverhüllung ab. In der Vorlage ist dabei die von manchen Musliminnen getragene Kleidung zur Verhüllung nicht explizit erwähnt. Aber die Zielrichtung der Initiatoren scheint klar.
Die Initiative stammt von dem Schweizer Verein Egerkinger Komitee, der 2009 ein Verbot neuer Minarettbauten in der Schweiz durchsetzte. Im aktuellen Begehren argumentieren die Initiatoren, dass die Verhüllung die Unterdrückung der Frau symbolisiere und nicht in eine freiheitliche Gesellschaft passe. Ein Verbot könne helfen, Kriminalität zu bekämpfen.
Aus ihrer Ablehnung des Islam machen die Initiatoren keinen Hehl. „Wir sind gegen die schleichende Islamisierung der Schweiz“, sagt Geschäftsführer Anian Liebrand im Schweizer Rundfunk SRF. In der Schweiz gebe es eine „gewisse Leitkultur, und die ist christlich“.
Kein Beitrag zur Gleichstellung der Frau
Gegner verweisen auf die generell islamfeindliche Haltung des Vereins. Sie sehen in dem Ansinnen keinen Beitrag zur Gleichstellung der Frau. Zudem gehörten Kleidervorschriften nicht in die Verfassung. Die Schweizer Menschenrechtsaktivistin Saïda Keller-Messahl sagte der Deutschen Presseagentur: „Die Verhüllung der Frau ist eine klare Aussage, dass die Frau beherrscht werden muss.“
Stefan Manser-Egli von der politischen Bewegung „Operation Libero“ lehnt dagegen jegliche staatliche Kleidervorschriften ab: „Wenn wir den Nikab nun verbieten, sind wir auch nicht besser als Länder, die ihn anordnen.“ Der Verein kämpfe nicht für Nikab oder Burka an sich, sondern für das Recht, sie zu tragen.
Die deutsche Feministin Alice Schwarzer warb in der „Neuen Zürcher Zeitung“ für das Verbot: „Die Verschleierung der Frauen ist die Flagge des politischen Islam“, sagte sie dem Blatt. Dagegen meint die Erziehungswissenschaftlerin Meltem Kulaçatan: „Ein Erfolg würde nur den antimuslimischen Rassismus befeuern.“
Muslime überwiegend integriert und gemäßigt
Das Verhüllungsverbot würde für Restaurants, Läden und die Straße gelten. Für sakrale Gebäude sowie aus medizinischen Gründen oder wegen der Fastnacht soll es Ausnahmen geben. Bisher haben die Kantone St. Gallen und Tessin dieses Verbot. Ähnliche Verbote gib es unter anderem in Frankreich und Österreich. In der Schweiz gelten die 450.000 Muslime ganz überwiegend als integriert und gemäßigt. Die Zahl der Nikab-Trägerinnen schätzt der Luzerner Islamwissenschaftler Andreas Tunger-Zanetti auf 20 bis 30.
Von: Johannes Blöcher-Weil