Die Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts sind so vielschichtig wie umstritten. Manch einer moniert die Sonderrechte der Kirchen, andere betonen, wie wichtig Ausnahmen für die Existenz bestimmter Organisationen sind. Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt, das kirchliche Unternehmen in ihrem Innersten treffen könnte. Das Gericht hat in Frage gestellt, ob die Kirchen grundsätzlich anhand der Religionszugehörigkeit einer Person über deren Anstellung entscheiden dürfen. Nur wenn die Zugehörigkeit zu einer Konfession für eine Tätigkeit „objektiv geboten“ ist, soll sie auch gefordert werden. Wann das der Fall ist, sollen im Zweifel nationale Gerichte entscheiden.
Das ähnelt einer Forderung, die zum Beispiel die Grünen schon lange an die Kirchen haben. In einem pro-Interview erklärte der damalige religionspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Volker Beck: „Man sollte abwägen, ob die Kirchenmitgliedschaft für die Tätigkeit eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung ist. Bei der Hausmeisterin oder dem Putzmann ist die Religionszugehörigkeit möglicherweise nicht so relevant.“
Verkündigen, putzen oder irgendwas dazwischen
Die Forderung ist nachvollziehbar. Warum sollte ein Hausmeister, etwa beim Diakonischen Werk, eine Kirchenmitgliedschaft nachweisen müssen? Bei einem Pfarrer hingegen spielt der Glaube und die Zugehörigkeit zur Institution eine wesentliche Rolle. Im nun vom Europäischen Gerichtshof diskutierten Fall handelt es sich um eine Stellung, die weder direkte Verkündigungsdienste betrifft, noch völlig vom christlichen Glauben losgelöst zu sehen ist. Eine Konfessionslose bewarb sich bei einem Werk der Evangelischen Kirche um eine Stelle als Referentin für ein Projekt zum Thema Rassismus.
Natürlich kann auch eine konfessionslose Referentin sich diesem Bereich adäquat widmen. Für die Kirchen besonders wichtig könnte aber sein, dass ihre Mitarbeiterin die Wertebasis des Arbeitgebers teilt. Denn das Diakonische Werk, bei dem sie angestellt gewesen wäre, ist nicht nur ein auf verschiedenen Ebenen tätiges Hilfswerk. Sie spricht und agiert auch im Namen ihrer Kirche. Letztere darf davon aufgehen dürfen, dass ihre Mitarbeiter kirchlichen Zugang haben, denselben christlichen Ansatz teilen und in dieser Weise agieren. Referenten, die öffentlich für eine Organisation auftreten oder die Themen für andere vorbereiten, sind auch Botschafter selbiger.
Muss ein Journalist evangelisch sein?
Um ein anderes Beispiel zu nennen, das ebenfalls keinen Verkündigungsdienst im klassischen Sinne umfasst: Muss ein Redakteur eines evangelischen Medienhauses evangelisch sein? Ja. Denn es spielt eine Rolle, wie er die Welt um sich herum betrachtet. Ob er sie vor dem Hintergrund einer christlichen Ethik einordnet. Ob sein Menschenbild eines ist, das Gott miteinbezieht und Jesus als Maßstab aller Dinge anerkennt.
Oder wie verhält es sich etwa bei einem Christlichen Jugendgästehaus, wo vor dem Essen gemeinsam gebetet wird? Für die Betreiber kann es durchaus eine Rolle spielen, ob die Angestellten, seien es Köche, Pädagogen oder Putzhilfen, dieses in der Gemeinschaft mitbeten oder sich dem aus Glaubensgründen verweigern. Letztendlich ist es auch eine Frage der Religionsfreiheit, ob Gerichte den Kirchen und ihnen angeschlossenen Organisationen weiterhin das Recht zugestehen, selbst darüber entscheiden zu dürfen, ob ihre Angestellten die Glaubensgrundsätze des Arbeitgebers teilen müssen.
Für das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung erklärte eine Referentin der Grünen-Fraktion einmal: „Ich denke, dass man in diesem Umfeld und in der Funktion nur arbeiten kann, wenn man mit der Politik und mit den Grundwerten der Partei übereinstimmt.“ So, wie das bei Parteien gilt, sollte es auch bei Kirchen einbezogen werden.
Das Diakonische Werk teilte am Dienstag mit, die evangelische Prägung sei für das Haus wichtig. „Willkürlich“ habe man dieses Kriterium aber auch bisher nicht angewendet. Der Europäische Gerichtshof hat die Einzelentscheidungen hierzu zurück an nationale Gerichte verwiesen. Den Kirchen ist zu wünschen, dass die Richter die Relevanz der christlichen Wertebasis nicht nur bei Verkündigungsdiensten in Betracht ziehen.
Von: Anna Lutz