Wenn der Kolumnist von „Heiligen und Scheinheiligen“ an seinen eigenen Prinzipien scheitert

Jede Woche schreibt Jürgen Mette hier seine Kolumne. Mal mit spitzer Feder, mal mit Augenzwinkern, mal ernst. Und er stellt fest, dass er dabei zwischen „heilig“ und „scheinheilig“ selbst schon ins Straucheln geriet.
Von PRO
Viele Jahre leitete der Theologe Jürgen Mette die Stiftung Marburger Medien. Sein Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“ schaffte es 2013 auf die Spiegel-Bestsellerliste. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Vor einer Woche habe ich an dieser Stelle meine Gedanken zu Pastor Olaf Latzel und der St.-Martini-Gemeinde in Bremen kundgetan. Weil das ganze Paket bereits mächtig stinkt und qualmt und jetzt ein Bremer Pfarrer mit einer frechen Verdächtigung aller Evangelikalen noch Brandbeschleuniger verspritzt und einen Flächenbrand riskiert, war mir eine äußerst sachliche Bewertung der Szene wichtig. Ich wollte den Dienst des Bescholtenen würdigen, aber auch die berechtigte Kritik nicht unter den Tisch fegen, sondern klar und deutlich benennen. Drei Tage bin ich mit meinem Skript „schwanger gegangen“. Ich habe diverse Fachleute konsultiert, auch in Bremen telefonisch die Ohren aufgehalten und dann mein mühsam zustande gekommenes Elaborat an meinen zuständigen Redakteur geschickt.

Nach einigem Hin und Her und mit einer leider etwas unglücklich ausgefallenen Überschrift wurde der Text am Mittwoch online gestellt. Und dann liefen dankbare Kommentare durch das Netz, auf denen ich mich hätte ausruhen können: ausgewogen, sachlich, vorbildlich! Das war in der Tat ein liebliches Salböl auf manche Verletzungen der vergangenen Jahre.

Aber ich blieb in Distanz zu mir und allen positiven Rückmeldungen. Wenige Stunden später traf mich der erlösende Anruf eines guten Freundes: „Jürgen, ich stehe voll hinter deinem Beitrag, aber hast du nicht vor einigen Wochen auf Facebook gefordert, wir sollten nach einer öffentlichen Attacke lieber zuerst das persönliche Gespräch suchen, bevor wir uns schriftlich und öffentlich dazu äußern?“

Recht hat er, der geschätzte Kollege. Ertappt. Und so richteten sich meine Grundsätze für eine etwas andere Kommunikation gegen mich selbst. Ziemlich scheinheilig von mir. Klar, Olaf Latzel wartet nicht auf meinen Anruf, zumal wir uns seit seiner Zeit in Siegen nie wieder getroffen haben. Und noch weniger hätte er mich persönlich empfangen. Aber dass ich es nicht versucht habe, das muss ich mir tatsächlich vorwerfen lassen. Ja, es ist noch viel Platz nach oben auf dem Weg von Scheinheilig nach Heilig!

Zum Schluss noch ein wichtiges Detail: Zu diesem Schreiben hat mich keiner ermutigt und keiner aufgefordert. Ich habe es frei und gern verfasst. Danke für Ihr Vertrauen.

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