„Frau, gläubig, links“, geschieden, eine Tochter, zweitmächtigste Politikerin Deutschlands, seit dem 4. Juni 2019 nun Hausfrau und Mutter.
Wie Andrea Nahles von ihren eigenen Genossen „eins auf die Fresse“ bekommen hat, kann man als Beobachter nur ahnen. Schon wird geunkt, ein Mann hätte sich solch einen Umgang nicht gefallen lassen.
Andrea Nahles schmeißt den Bettel hin. Wie hat sie seit ihrer Wahl zur Partei- und Fraktionsvorsitzenden die halbtote SPD wieder angefeuert, wie hat sie, die Tochter eines katholischen Maurermeisters aus der ländlichen Eifel, die große Berliner Politbühne für sich eingenommen. Aber sie diente den Arbeitern als erfolgreiche Arbeitsministerin. Die Mutter einer Tochter, irgendwie die wilde Lockenpracht mühsam gebändigt, Narben auf der Stirn, die sie selbstbewusst nicht unter der Frisur versteckt hat. Eine streitbare starke Frau, die manchen älteren Sozis schon mal gezeigt hat, wo es lang geht. Rudolf Scharping, Franz Müntefering und Martin Schulz haben das erlebt.
Menschlichkeit zwischen Wadenbeißern
Ich hatte ihr im Januar 2018 zum Spitzenamt der SPD gratuliert und sie zugleich von den Stegners der SPD gewarnt. Der rote Ralf von der Ostsee wird sich sicher ins Gespräch für ein Spitzenamt der Sozis bringen. Er würde die GroKo auf der Stelle auflösen, wenn er könnte, wie er wollte, aber immer in der Hoffnung, dass die CDU mit der SPD zusammen untergeht.
Das Trio aus Manuela Schwesig, dem notorischen Wahlverlierer aus Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel, und der erfolgreichen pfälzischen Malu Dreyer, die sich trotz MS-Erkrankung tapfer behauptet, soll nun den Übergang zu einer neuen Führung moderieren. Dreyer kann das. Sie wird es wesentlich stiller tun als Andrea Nahles, trotzdem werden wir Frau Nahles vermissen. Sie war eine ehrliche Haut, ein verlässlicher und emotionaler und kompetenter Regierungspartner, der dem großen Ganzen gedient hat und das Interesse an der Sanierung der SPD nach hinten gestellt hat und der der Kanzlerin bescheinigt hat, ein feiner Charakter zu sein. Soviel Menschlichkeit zwischen den raubeinigen Wadenbeißern macht Hoffnung, lässt aber auch befürchten, dass die alten zornigen Männer der SPD jetzt lieber auf Typen wie Ralf Stegner setzen, die ohne Beißhemmung den alten Wolf SPD wieder scharf machen wollen.
Die Historiker werden dafür sorgen, dass ihr Lebenswerk nicht in den Fußnoten der Geschichte Deutschlands verschwindet. Eine Katholikin aus Überzeugung, eine Linke ohne linke Attitüden, eine Frau im Abstiegskampf einer einstigen Volkspartei. Andrea Nahles wird mir fehlen. Gottes Segen für Sie!
Von: Jürgen Mette