Abendessen in einer Reha-Klinik in Niederbayern. Neben mir sitzt eine von Parkinson gebeugte Dame älteren Datums. Sie fragt nach meiner Herkunft. „Aus Marburg?“ Marburg kennt sie nicht. „Eine Stunde nördlich von Frankfurt!“ – „Also im Norden Deutschlands?“, fragt sie nach. Darauf ich sichtlich irritiert: „Ja, im Norden. Kurz vor Dänemark!“ So sind sie, die Bayern. Dahoam sind sie dahoam, sonst nicht.
Dann forscht sie weiter: „Und, was machen Sie beruflich?“ – „Ich bin evangelischer Theologe!“ Klare Auskunft, hoffentlich gibt sie bald Ruhe. „Ach, hoerns auf. Dann sind Sie Baptist oder bei den Neuapostolen!“, kam es wie aus der Flinte geschossen. Die Mitesser am Tisch starren mich an, als wäre ich giftig. Genervt kläre ich: „Nein, ich bin evangelischer Christ!“ Penibel achte ich darauf, dass ich mich nicht als Pietist oder als Evangelikaler oute, denn das würde noch ganz andere Fragen aufwerfen. „Ich bin Lutheraner!“ – „Also ein Freikirchler!“, mutmaßt die alte Dame. „Nein, ich bin kein Freikirchler.“ Wie komme ich aus dieser Kiste wieder raus?
Unweit von Altötting, wo Bayern aber auch sowas von katholisch ist, da scheint alles, was nicht katholisch ist, schon eine Sekte zu sein. Haben die noch nichts von der Reformation gehört?
Wer bin ich? Ein lutherisch getaufter, freikirchlich „konfirmierter“, freiheitsliebender, charismatisch-konservativer Protestpietist.
Ich war einmal mit einem Team von Theologiestudierenden in einer Hochhaussiedlung in Wolfsburg unterwegs. Unter dem scheinheiligen Vorwand einer Meinungsumfrage versuchten wir, mit wildfremden Leuten in Gespräch zu kommen: „Guten Tag. Dürfen wir mit Ihnen über Jesus Christus sprechen?“ – „Nein, danke“, hieß es an manchen Türen „wir sind katholisch!“
Es wird die Zeit kommen, da wird es reichen, dass man sich „Christ“ nennt.