Politisches Herbstfarbenspiel

Das fragile Zweckbündnis von Union und SPD verdient nicht den Namen Bündnis. Da wird nichts gebündelt. Und nach Volker Kauders Abwahl als Fraktionsvorsitzender drängt sich der Eindruck auf, dass die Kanzlerin in der eigenen Partei den Rückhalt verliert. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von Jürgen Mette
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.

Schwarz ergraut und verliert in Volker Kauder einen farbechten Schwarzen. Rot verblasst trotz Andrea Nahles‘ bunter Textilvariationen ins farblich Undefinierbare. Grün alterniert regenbogenartig, kommt aber in Robert Habeck pragmatisch – praktisch – gut daher. Und Gelb eiert rum. Gelind(n)ert – nicht geläutert.

Nur die AfD bleibt sich treu: braun. Die gegenwärtig zweitstärkste politische Kraft in Deutschland. Eine Partei, die mit den Ängsten der Menschen Untergangsstimmung erzeugt, um dann mit einfachen Antworten auf Stimmenfang zu gehen und die „Jagd“ (Alexander Gauland) auf die Kanzlerin zu eröffnen. Nach Volker Kauders Abwahl als Fraktionsvorsitzender drängt sich der Eindruck auf, dass die Kanzlerin von der eigenen Partei gejagt wird. Der neue Fraktionschef Ralph Brinkhaus bedient auch gleich die verlogene Schröder-Phrase, „kein Blatt Papier passt zwischen uns“. Gemeint war damals Oskar Lafontaine. Der Rest ist bekannt. Nach Kauder-Klartext folgt Kauderwelsch!

Fragiles Zweckbündnis

Der umstrittene Deal zwischen Maaßen und Seehofer hat die oft zitierte Politikverdrossenheit weiter befeuert. Es reicht. Europa steht auf der Kippe, die Nato wirkt personell und maschinell marschbehindert. Und die Weltpolitik wird von zwei unterkühlten Herrschern dominiert und kontrolliert, zwei, die nicht miteinander reden.

Wer hat den Erfolg der AfD möglich gemacht? Die Bundeskanzlerin, die als Inbegriff einer neuen Willkommenskultur zwar internationale Anerkennung gewonnen hat, aber unterdessen die Nähe zu den Wählern verloren hat, die sich mit ihren Sorgen rechts von der CDU besser aufgehoben fühlten. Und die FDP, indem sie eine Jamaika-Konstellation boykottiert und damit eine sich gegenseitig lähmende schwarz-rote GroKo provoziert hat, die fast täglich Steilvorlagen für die AfD liefert. Dieses fragile Zweckbündnis verdient nicht den Namen Bündnis. Da wird nichts gebündelt. Horst Seehofer teilt und herrscht. Ihn verbindet nichts mehr mit Merkel und er demütigt die ohnehin von der Schwindsucht geplagte SPD mit einer kalkulierten Taktik, dass sich nun die Genossen knapp hinter der AfD einordnen müssen. Und die CDU/CSU rutscht im aktuellen „Deutschlandtrend“ unter die 30-Prozent-Marke.

Jamaika in Hessen

Während die über viele Jahrzehnte in sich ruhende CSU im Oktober auf Partnersuche gehen muss und auch das erfolgreiche schwarz-grüne hessische Duo Volker Bouffier/Tarek Al-Wazir wahrscheinlich einen weiteren Partner braucht, könnte das in Richtung Jamaika gehen. Warum nicht?

Dass es uns trotz der latenten GroKo-Krise so gut geht wie nie zuvor, das begreife, wer will. Wo gut Geld verdient wird, da geht es den Menschen gut, trotz einer angezählten Regierung. Kontinuierliches Wirtschaftswachstum, Abbau der Staatsschulden, immer weniger Arbeitslose, beste medizinische Versorgung, Fortschritte in Bildung und Forschung, Unterstützung von jungen Familien, wachsendes Umweltbewusstsein. Und dazu eine Null-Zins-Währungsstrategie, die den Konsum mächtig belebt.

Weckruf zur kritischen Wachsamkeit

Ja, ich weiß, „genug ist nie genug“ (Konstantin Wecker), aber wir stehen im internationalen Vergleich weit oben. Und das ist ein Grund zur Dankbarkeit, aber gleichzeitig ein Weckruf zur kritischen Wachsamkeit. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet: „Ein sich verschärfender Handelskonflikt zwischen den USA, China und Europa, amerikanische Sanktionen gegen Russland und gestiegene Volatilitäten an den Aktienmärkten: Das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit alles andere als gemütlich. Unser Wohlbefinden basiert auf fragilen Fundamenten.“ Dieses Bewusstsein macht uns nüchtern und führt uns ins Gebet.

Und noch eins: Vor 88 Jahren, im September 1930, haben 18 Prozent der Deutschen die NSDAP gewählt. Sie wurden zu Wegbereitern einer rassistischen Ideologie und eines furchtbaren Weltkrieges. Unpolitische, bürgerlich anständige und leider auch fromme Leute! Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Von: Jürgen Mette

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