Oft genügt nur ein Stichwort oder eine Andeutung, um die Gerüchteküche anzuheizen. Ein Verdacht, eine Vermutung, ein nicht geprüfter Hinweis, ein unter dem Siegel der Verschwiegenheit und als Gebetsanliegen getarntes und unter der Hand verbreitetes „Ich-will-ja-nichts-gesagt-haben!“ reicht schon aus, um eine Kirche, ein christliches Werk oder weltliches Unternehmen und ihre Repräsentanten irreparabel zu beschädigen. Aus einem mit besorgter Miene kolportierten Gemisch aus Vermutung und Verdacht werden scheinheilig Gerüchte produziert, die selbst nach völliger Enttarnung ihre ätzende Wirkung nicht verlieren.
Diese Hochschule ist bibeltreu, die andere nicht. Der Theologe ist links, der ist rechts. Die ist feministisch, der ist liberal, der ist konservativ, die ist modern. Etiketten, die die so Betitelten so gut wieder loswerden wie verkrusteten Dreck von den Hosen.
Ein taufrisches Beispiel aus der heutigen Lokalpresse: Sobald der Marburger Christustreff Gegenstand einer Pressemeldung ist, auch wenn es in einem ganz und gar positiven Zusammenhang ist, wird der Leser in der Hoffnung, dass etwas Böses hängen bleibt, an etwas scheinbar Skandalöses aus der Vergangenheit erinnert. Da reicht schon der Hinweis auf eine „fundamentalistische“ Bewertung der Homosexualität oder auf Homophobie, und schon klebt medial Dreck an einer in unserer Stadt segensreich wirkenden Organisation. Immer wieder daran erinnern, das ist die gnadenlose Taktik hinter der Fassade seriöser Berichterstattung.
Gnadenlose Berichte können Menschen zerstören
Da wird seit Jahren eine Falschmeldung kolportiert, ein frommer Prominenter habe etwas mit seiner Sekretärin. Ein vollkommener Blödsinn, aber das Gerücht breitet sich in geradezu verbaler Inkontinenz aus.
Wenn ein führender Evangelikaler irgendwann einmal für die rechtslastige Zeitung Junge Freiheit geschrieben hat, oder ein frommer Querdenken bei der Linkspartei politisch verortet ist, wird mit durchschaubarer Taktik dafür gesorgt, dass mit der ständigen Herstellung dieses Zusammenhangs immer ein wenig Dreck hängenbleibt.
Wenn über den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Heinrich Bedford-Strohm in der frommen Presse berichtet wird, fehlt nie der Hinweis darauf, dass er vor Jahren auf dem Jerusalemer Tempelberg das Kreuz abgelegt und damit das Kreuz Christi verraten habe. Gnadenlose Dokumentation eines schwachen Augenblicks. Es soll etwas hängenbleiben.
Vor genau 30 Jahren trieb eine Pressekampagne den Leiter der Christoffel Blindenmission (CBM) in den Tod. Aufgrund von Medienberichten musste die Staatsanwaltschaft damals gegen die CBM und gegen Siegfried Wiesinger ermitteln. Im Jahr darauf wurde festgestellt, dass sich die Verantwortlichen nichts haben zuschulden kommen lassen. Die Staatsanwaltschaft schrieb damals unter anderem: „Vielmehr ist davon auszugehen, dass die CBM mit den erhaltenen Spenden in vorbildlicher Weise umgeht und in der Dritten Welt einen vorzüglichen Ruf genießt (…) Zusammenfassend ist festzustellen, dass von den erhobenen Vorwürfen in strafrechtlicher Hinsicht nichts übrig geblieben ist.“ Diese Meldung wurde dann nur noch halbherzig publiziert.
Eine mahnende Erinnerung an die schreibende Zunft. Gerade von christlichen Journalisten darf man intensive und ideologisch neutrale Recherche erwarten. Aber man darf auch Gnade erwarten.
Von: Jürgen Mette