Merkel versus Seehofer: Zurückweisen ist keine Lösung

Zurückweisen kann auch eine christliche Tugend sein, genau wie das Willkommensklima, für das wir als Christen gern einstehen. Warum die aktuelle Regierungskrise dringend eine Lösung braucht. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von Jürgen Mette
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.

Zurückweisen! Ein starkes Verb beherrscht die Debatte um die künftige Flüchtlingspolitik und provoziert eine schwerwiegende Regierungskrise zwischen den Schwesterparteien mit einem C vorne dran. C-Union heißt, man hat sich auf ein christliches Weltbild geeinigt und gestaltet aus dieser Einheit heraus Politik. Diese Einheit ist seit der Regierungsbildung brachial umkämpft. Man weist sich permanent zurück. Die Wir-schaffen-das-Kanzlerin, weltweit geschätzt und bewundert für ihre Willkommenspolitik, wirkt zum ersten Mal in ihrer sauberen Karriere heftig angeschlagen. Der Innenminister weist seine Chefin zurück und die weist Seehofers Ansinnen zurück. Sie weisen sich gegenseitig diametral zurück.

Traumschiff neben Flüchtlingsschiff

Derweil dümpelt ein überladenes Flüchtlingsschiff mit 600 Lebensschicksalen an Bord in einer menschenverachtenden Odyssee durchs Mittelmeer, vorbei an den mediterranen Ferienresorts und in Sichtweite der großen Traumschiffe. Sie werden zurück gewiesen. Danke, Malta, für den Unterschied.

Und noch etwas dümpelt vor sich hin: Söders Umfragewerte. 7,7 Prozent Verlust gegenüber 2013. Trotz Kreuzkampagne, trotz scharfer Töne und eines demonstrativen Techtelmechtels mit Österreichs Kanzler Kurz. Der Applaus von der falschen Seite – der AfD – zeigt, woher der Wind pfeift. Von rechts außen.

Wahrnehmungsstörung mit dramatischen Folgen

Die Kanzlerin sollte sich der Kritik stellen. Sie erfährt international höchste Reputation und Europa hofft auf sie. Aber sie hat sich zu wenig um die (lästigen) Hausaufgaben gekümmert und das hat nebenbei die AfD stark gemacht. Ein „weiter so!“ geht nicht.

Und Seehofer muss begreifen: Das Problem der Einwanderung kann nur europäisch gelöst werden. Und es muss im Nahen Osten und in Afrika gelöst werden. Einfach 90 Grenzübergänge in Bayern dicht machen ist keine vernünftige Lösung. Das riecht nach Trumpscher Zaunpolitik.

Zugleich gilt: Ein aufnahmebereites Land braucht aufnahmebereite Strukturen, Kapazitäten, kurze Prüfverfahren und ein konsequentes Zurückweisen von politisch-religiös motivierten Trittbrettfahrern, Integrationsverweigerern und Kriminellen. Zurückweisen kann auch eine christliche Tugend sein, genau wie das Willkommensklima, für das wir als Christen gern einstehen.

Neuwahlen braucht kein Mensch

Aber das braucht Zeit und das braucht Vertrauen. Die Kanzlerin muss jetzt Seehofer zeigen, dass sie verstanden hat, und Seehofer soll sich benehmen und nicht noch die Eskalation verschärfen. Denn dann gibt es bald Neuwahlen und dann werden die frustrierten Wähler die pechschwarze, die schwarze und die rote Politik der Mitte zurückweisen und grün, gelb und blau wählen.

Von: Jürgen Mette

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