Der ehemalige Pastor Joachim Gauck kam am 23. März 2012 als erster Bundespräsident aus den neuen Bundesländern ins Schloss Bellevue. Schon als Jugendlicher trat er in die Opposition zum DDR-Regime. Er war beteiligt am kirchlichen Widerstand gegen die SED-Diktatur. Auch wenn über seine genaue Rolle gestritten wird, so übte er unter anderem in Predigten Kritik am staatlichen System. Bei Gauck war Kirchliches schon früh mit der Politik verwoben. Und so gestaltete der mittlerweile 77-Jährige auch seine Zeit als Bundespräsident. Am Sonntag wählt die Bundesversammlung seinen Nachfolger.
Bei seiner Wahl war Gauck als Kandidat von Rot-Grün angetreten, dann nominierte ihn die FDP, nach einigem Zögern unterstützte ihn auch die Union. Es hieß damals, Kanzlerin Angela Merkel wollte ihn zunächst nicht in dem Staatsamt sehen. Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Gauck und ihr wurden seither kaum öffentlich. Und so führten der ehemalige Pastor und die Pfarrerstochter Merkel in den vergangenen Jahren Deutschland, immer wieder auch mit dem Verweis auf christliche Werte und Überzeugungen.
Gauck legte sich mit Erdogan an
Sein Amt sowie außen- und innenpolitische Krisen haben Gauck im Laufe der vergangenen fünf Jahre geprägt. Er sei nicht mehr so optimistisch, wie er gern sein wolle, sagte er. Aber nicht nur sein Amt hat ihn geprägt, auch er hat dieses Amt geprägt. Er gilt als einer der politischsten Bundespräsidenten. Obwohl es keine im Grundgesetz vermerkte Vorschrift gibt, hält sich der Bundespräsident in der Regel mit öffentlichen Äußerungen zu tagespolitischen Fragen zurück.
Gauck hat sich trotzdem eingemischt, und für die ein oder andere Kontroverse gesorgt. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 rief er Deutschland auf, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Dies erfordere manchmal auch einen militärischen Einsatz. Die Äußerung galt für manche als ein Tabubruch. Ein Staatsbesuch in der Türkei im selben Jahr führte fast zu einem Eklat, als Gauck scharfe Kritik an Demokratiedefiziten der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan übte. Der türkische Politiker wies dies als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurück. Woraufhin Gauck erwiderte, er sei in seiner Kritik „eher noch zurückhaltend gewesen“, zitierte ihn die Zeitung Die Welt. NPD-Anhänger nannte Gauck bei einer Diskussion mit Schülern „Spinner“ und zeigte damit, dass ein Mann in seinem Amt das sogar darf.
Bei den Deutschen beliebt
Auch in den letzten Wochen seiner Amtszeit kommentierte Gauck die Tagespolitik. Bei einem Vortrag in dieser Woche in Maastricht übte er Kritik an US-Präsident Donald Trump, ohne seinen Namen zu nennen: „Keine Macht steht über dem Recht. Und auch die Macht ist an Recht gebunden.“ Gauck legt den Finger in die Wunde. Das kommt an. Nach dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend sind 81 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Staatsoberhauptes zufrieden oder sehr zufrieden. Immer wieder spricht der Bürgerrechtler aus ihm.
Das ist jedoch nur eine Facette von ihm. Andere sind der Pastor und der Christ Gauck. Diese legte er auch während seiner Amtszeit nicht ab. Manchen Kritiker störte das. Es kommt aber integer rüber und bringt ihm einen anderen Blick auf die Dinge. Für Gauck gibt es immer eine Alternative. In den dunklen Stunden von Terror und Krisen bleibt er nicht stehen, sondern verweist darauf, dass es weitergeht. Immer wieder sprach er von der Hoffnung und der Liebe, die in Gottes Wort steckt, wie etwa in einer seiner Weihnachtsansprachen. Gauck ist ein pastoraler Staatsmann.
Ein Bundespräsident ist mehr als sein Amt. Jeder prägte es anders – Gauck christlich-politisch. Als er dem scheidenden Außenminister Frank-Walter Steinmeier – der wahrscheinliche Nachfolger Gaucks – die Entlassungsurkunde überreichte, sagte er: „Für alles, was nun folgen wird, wünsche ich Ihnen Erfolg, eine ebenso glückliche Hand und Gottes Segen.“ (pro)
Von: mab