Es gibt immer neue Theorien, die Terrororganisation Islamischen Staat (IS) zu erklären und den Islam von der Verantwortung für den IS zu entlasten. Sie bleiben aber nur Hypothesen, keine kann auf irgendwelche Untersuchungen zu den Mitgliedern des IS aus aller Welt zurückgreifen. Ist es wirklich nur die Unterschicht? Ist es wirklich die Ablehnung muslimischer Jugendlicher durch die Mehrheitsgesellschaft, die sie dazu nötigt, sich zu radikalisieren?
Das zentrale Problem ist, dass alle Erklärungen, auch die von Oliver Roy, speziell für den Islam geschaffen werden, und bisher für andere Religionen und Weltanschauungen nicht genutzt wurden. Stalins Kommunismus war sicher nicht das, was Karl Marx oder die meisten Kommunisten gewollt haben. Aber kann man wirklich sagen, Stalins Kommunismus hatte gar nichts mit dem Kommunismus zu tun? Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland stieß auf die weltweite Ablehnung der Kirchen. Die Masse der Christen schüttelte nur den Kopf. Aber wäre es nicht zu billig, deswegen zu behaupten, der Konflikt habe gar nichts mit dem Christentum zu tun?
Im Kolonialismus wurde überwiegend das Christentum instrumentalisiert. Die offizielle Theologie hielt dagegen Indianer, Afrikaner und andere für ebenbürtige Menschen mit voller Menschenwürde. Also ist das Christentum von den Fehlern der Kolonialzeit freigesprochen? Nein, denn es waren eben christlich geprägte Staaten, die in ihn verstrickt waren und nicht nichtchristliche. Damit muss man sich ernsthaft und differenziert auseinandersetzen, wie es der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in der Sendung „Hart aber fair“ getan hat.