Kommentar Schulpflicht oder Bildungspflicht?

Über Homeschooling wird auch in Deutschland seit Jahren debattiert. Denn der Unterricht außerhalb einer staatlich anerkannten Schule ist nur in seltenen Fällen erlaubt. So manche Familien aber wollen sich damit nicht abfinden.
Von PRO

Das Urteil eines US-Richters, der einer aus Deutschland geflohenen Familie, die ihre Kinder zu Hause unterrichtet, in den USA politisches Asyl gewährte, schlägt hohe Wellen. "USA geben fundamentalistischen Christen aus Deutschland Asyl", überschreibt die Nachrichtenagentur AFP ihre Meldung. "Spiegel Online" titelt: "Fundi-Christen feiern Sieg über ‚peinliches Deutschland‘". Und die FAZ schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe: "Deutsche Evangelikale erhalten Asyl".

Ja, vielen Kommentatoren ist klar, dass die Familie Romeike ihre fünf Kinder aus dem Grund nicht in eine staatliche Schule schicken wollte, weil die Eltern manche Inhalte des Unterrichtsprogrammes nicht mit ihren religiösen Überzeugungen in Einklang bringen konnten. Nur aus diesem Grund unterrichten sie ihre Kinder zu Hause, mit Materialien, die sie von einer Fernschule erhalten – wie das Millionen andere Familien in Amerika und zahlreichen europäischen Staaten auch tun, legal.

Die Vertreter von Homeschooling sehen das in dieser Woche verkündete Urteil als weiteren Schritt hin zu dieser Legalisierung. Das ist auch etwa dem Deutschen Lehrerverband klar, der empört reagiert: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein demokratisches Land wie die USA demokratisch entstandene Gesetze in Deutschland als Verstoß gegen die Menschenrechte ansieht. Jeder demokratische Staat ist legitimiert, sein Schulsystem zu regeln", sagte Lehrerverbands-Präsident Josef Kraus.

Die baden-württembergische Familie ist jedoch eine Ausnahme – und das in zweierlei Hinsicht. Erstens gehen die Kinder von dem überwiegenden Teil der Christen auch in Deutschland auf eine staatliche Schule. Und zweitens sind es nicht allein Christen, die sich dafür einsetzen, dass auch in Deutschland der Unterricht zu Hause legalisiert wird. Dass jeder Staat sein Schulsystem individuell gesetzlich regeln kann, ist klar. Doch muss er seine Regelungen auch begründen – und da gerät Deutschland immer mehr in Erklärungsnot.

Denn dass der Unterricht zu Hause – ob nun aus religiösen, pädagogischen oder beiderlei Gründen – nicht nur in den USA, sondern auch in zahlreichen europäischen Staaten wie Österreich, Belgien oder auch in der Schweiz erlaubt ist, in Deutschland aber nicht, kann nicht durch Verweise auf die Gesetze zur "Schulpflicht" erklärt werden. Vielmehr müsste erläutert werden, warum nicht auch in Deutschland eine "Bildungspflicht" ausreicht.

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