Ausgerechnet am Aschermittwoch öffnet das erste Museum des Leichenplastinators Gunther von Hagens in Berlin. Die Kirchen protestieren und wollen für die Seelen der ausgestellten Toten beten.
Exponate im „Menschenmuseum”: Gunther von Hagens will den Besuchern den Spiegel vorhalten. Durch seine Plastinate sollen sie sich selbst kennenlernen
Ein Mann springt mit seinem Skateboard in die Luft, mit einer Hand stützt er sich ab, mit der anderen hält er das Brett. Ein Turner stützt sich auf zwei in der Luft hängende Ringe, alle Muskeln angespannt schwebt er im Raum, die Beine kerzengerade nach vorne ausgestreckt. Eine Frau tanzt, an ihrem Rücken spreizen sich Flügel aus Sehnen und Haut. Der Boarder, der Turner, die Tänzerin: Sie alle sind tote Menschen, aufbereitet und in Szene gesetzt. Ab Mittwoch sind sie im „Menschenmuseum“ in Berlin zu sehen, der ersten Dauerausstellung des „Körperwelten“-Erfinders Gunther von Hagens.
Seit 20 Jahren konserviert von Hagens Leichen. Das von ihm erfundene Verfahren nennt er „Plastination“. Es erlaubt ihm, aus den Verstorbenen Exponate zu machen und sie in Positionen zu zeigen, die sie zu Lebzeiten vielleicht gar nicht eingenommen haben. Der tote Körper soll so zur Kunst werden und zugleich jedem Einblick in biologische Abläufe geben. 40 Millionen Menschen in 23 Ländern haben die „Körperwelten“-Wanderausstellung bereits gesehen. Im Betonfuß des Fernsehturms am Berliner Alexanderplatz hat Kuratorin Angelina Whalley, zugleich Ehefrau des „Plastinators“, nun dauerhaft Ausstellungsobjekte arrangiert. Zu sehen sind ganze Körper, aber auch einzelne Organe und sogar Föten in den unterschiedlichen Schwangerschaftswochen.
„Sensationslust und Grenzüberschreitung“
Das gefällt nicht jedem in Berlin. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Christian Hanke (SPD), hatte bis zuletzt und gerichtlich versucht, die Eröffnung zu verhindern. Er berief sich auf das Bestattungsgesetz, nach dem Leichen nicht öffentlich ausgestellt werden dürfen, scheiterte damit aber mehrmals vor Gericht. Plastinate fielen nicht unter dieses Gesetz, hieß es. Auch der evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte protestiert gegen die Ausstellung. Am Aschermittwoch soll die traditionelle Prozession der Christen deshalb auch am Museum vorbeiführen. Dort wollen die Teilnehmer für die Seelen der Toten beten.
Pfarrerin Cordula Machoni erklärte gegenüber pro: „Tote Menschen sind definitiv keine Ausstellungsstücke!“ Das Menschenmuseum missachte die Menschenwürde. Außerdem suggeriere das Arrangement der Exponate in lebensnahen Positionen, dass die Toten weiterlebten. „Das ist eine Grenzüberschreitung“, findet Machoni. Auch der Ort der Ausstellung sei fragwürdig, immerhin handele es sich beim Alexanderplatz um den „prominentesten Platz in ganz Berlin“. Das zeige, dass die Veranstalter „pure Sensationslust“ antreibe. Stattdessen plädierte die Pfarrerin für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Allerdings nicht öffentlich, sondern an Orten, die Rückzugsmöglichkeiten und Raum für Reflektion böten. In einer Ausstellung mitten in der Stadt jedenfalls könne dies nicht geschehen.
Von Hagens will sich plastinieren lassen
Bei der Vorstellung des „Menschenmuseums“ am Dienstag wehrten sich die Veranstalter gegen solcherlei Kritik. Die Ausstellung sei keine „Anatomieschau“, sondern eine „Anregung zum Nachdenken“, sagte Angelina Whalley. Der Philosophieprofessor Franz Josef Wetz betonte die weltanschauliche Neutralität des Projekts. Katholiken und Protestanten könnten in den Exponaten das christliche Menschenbild entdecken. Die Proteste gegen das Museum nannte er „leichtfertig“, „unverantwortlich“ und „irreführend“. Ob die Plastination weniger würdig sei als beispielsweise eine Einäscherung, sei Ansichtssache. Whalley fügte hinzu, dass die Reaktion der Besucher auf die Exponate stets angemessen sei und die Menschen nachdenklich stimme.
Auch der schwer an Parkinson erkrankte Von Hagens selbst war am Dienstag anwesend. Er bezeichnete die Eröffnung als „Höhepunkt seiner Karriere“. Nach seinem Tod will er sich selbst auch plastinieren lassen – und zwar von seiner Ehefrau Whalley. So könne er irgendwann selbst Teil der Ausstellung werden, sagte diese. (pro)
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