In der Debatte um die politische Rolle der Kirchen haben Stimmen aus Kirche und Politik die Kritik von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zurückgewiesen. Die frühere Bundesbildungsministerin und Vatikan-Botschafterin Annette Schavan (CDU) sagte im RBB-Inforadio, das Christentum sei „von Beginn an politisch“ gewesen. Die geistliche und gesellschaftliche Dimension des Glaubens seien untrennbar miteinander verbunden.
Zuvor hatte Klöckner gefordert, die Kirchen sollten sich mehr auf Sinnstiftung konzentrieren und sich weniger zu tagespolitischen Themen äußern. Dem widersprach Schavan: Die Glaubwürdigkeit der Kirche hänge gerade davon ab, dass sie sich um gesellschaftliche Fragen wie den Umgang mit Flüchtlingen kümmere, schreibt der evangelische Pressedienst („epd“).
Thomas Rachel, kirchenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), unterstützt Klöckner teilweise. Er warnte davor, dass die Kirchen an Glaubwürdigkeit und Wirkung verlieren könnten, wenn sie vor allem als tagespolitische Akteure wahrgenommen würden. Ihre Stärke liege in einer authentischen, vom Evangelium her begründeten Perspektive. Zugleich sagte er: „Dort, wo die politische Dimension von Kirche unmittelbar Ausfluss der Evangeliums-Verkündigung ist, wirkt sie befruchtend, inspirierend und ist wirksam.“
Der Theologische Vizepräsident der EKD, Stephan Schaede, sagte, die Kirche sei Teil der Gesellschaft und habe die Aufgabe, Missstände zu benennen. Auch Vertreter aus Politik und Theologie, darunter der Grünen-Politiker Konstantin von Notz und der Kirchenrechtler Thomas Schüller, äußerten sich zu Klöckners Aussagen. Wer Kirchen mit Nichtregierungsorganisationen vergleiche, sende das Signal aus, dass sie sich gegenüber den Unionsparteien nicht kritisch äußern sollten, sagte von Notz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Er nannte dies einen „unsäglichen Vorgang“. Klöckners Äußerungen seien der Versuch, den Kirchen faktisch ein Denk- und Sprechverbot in politischen Fragen zu erteilen. Eine solche Einschränkung sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, sagte Schüller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.