In einer Kanzelrede hat die Klimaaktivistin Luisa Neubauer am Sonntag mehr gesellschaftlichen Mut gefordert, um die Klimakrise zu bewältigen. Die Menschen seien „hochroutinierte Krisenantreiber und sehr ungeübte Krisenbeender“. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie mache sich überall Sorge breit. Dem gegenüber stehe jedoch ein Wort aus Matthäus 6: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“
Als „hauptberufliche An-morgen-Denkende“ sei diese Bibelstelle für sie besonders herausfordernd. Der Vers wolle jedoch nicht zu Rücksichtslosigkeit oder Unachtsamkeit anstiften. Vielmehr gehe es um eine „bestimmte Qualität der Sorgen, erklärte die 24-Jährige. Die Aufforderung, sich um nichts zu sorgen, ziele auf Sorgen ab, die ins Leere führen und unproduktiv sind. Um diese zu verkleinern, müsse ein Umfeld geschaffen werden, das Sorgenfreiheit begünstigt. Gelingen könne dies, indem Sorgen präventiv angegangen würden. Aus Sorgen müssten Vorsorgen werden. „Wir nehmen die Sorgen fest in die Hand, verstehen sie als Quelle der Kraft, eine bessere Welt zu gestalten“, sagte Neubauer.
Klimaschutz als Fürsorge
Dazu gehöre für die Klimaaktivistin der Schutz der Schöpfung. Die Bibel fordere auf, sich keine Schätze auf Erden zu sammeln (Matthäus 6,20). Das verstehe sie nicht als Aufforderung, keine Autos mehr zu kaufen. Vielmehr gehe es darum, die „großen Schätze der Welt nicht zu sammeln, sondern zu beschützen“. Die Schöpfung stelle alles bereit. Der Mensch müsse sich wie die Vögel um nichts sorgen. Allerdings gehöre dazu auch ein achtvoller Umgang mit der Natur. „Wenn wir vorsorgen, muss uns das Versorgen nicht sorgen.“
Neben dieser Vorsorge forderte die Klimaaktivistin Fürsorge. Diese müsse nicht nur der Natur gelten, sondern auch unseren Mitmenschen „in der Ferne“, für deren Schicksal Länder wie Deutschland mitverantwortlich seien. Sie verstehe nicht, „wie wir uns über die Kontinente hinweg überhaupt noch in die Augen schauen können“.
Christin und Klimaaktivistin
Zu Beginn ihrer Predigt sagte Neubauer in Richtung ihrer Kritiker: „Ich bin hier als Christin und Klimaaktivistin.“ Im Vorfeld habe sie viele Nachrichten erhalten, die ihre Eignung als Kanzelrednerin in Frage stellten. Ebenso wurde öffentlich Kritik an ihr und der Kirche geübt. Der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag in Baden-Württemberg, Daniel Rottmann, warf der Domgemeinde vor, „die grüne Ersatzreligion der Klimarettung“ zu adeln. Sein Parteikollege und Mitglied des Bundestages, Sebastian Münzenmaier, sieht einen „massiven Linksdrall“ der evangelischen Kirche. Auch der ehemalige Fernsehmoderator Peter Hahne schloss sich der Kritik an. In einem Kommentar in der Tagespost bezeichnete er die Kirche als „rot-rot-grüne NGO“.
Auf Nachfrage der Zeitung Die Welt sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Thomas Rachel: „Kirche soll nicht Politik machen, sondern Politik möglich machen.“ Rachel, der ebenfalls Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) ist, lehnt darüber hinaus eine einseitige Positionierung der Kirche zu aktuellen gesellschaftlichen Themen ab.
Von: Martin Schlorke
Eine Antwort
Sind es wirklich hauptsächlich AfD-Abgeodnete, die die Eignung von Frau Neubauer als Kanzelrednerin in einer Kirche in Frage stellen? Im Bericht hier fehlen einige Aussagen, die helfen würden, das besser einzuordnen. Ich zitiere aus idea: „Gott wird uns nicht retten, das werden wir tun. Weil wir es wagen, die Schwere der Krisenbewältigung anzunehmen.“ Das sagte die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer (Berlin) von „Fridays for Future“ bei ihrer Kanzelrede am 28. Februar im Berliner Dom. Ihre Rede stand unter dem Motto „Von der Sorge“.
Neubauer sagte weiter: „Wir werden uns retten, weil wir nicht den Glauben verlieren. Den Glauben an eine bessere, gerechtere Welt, die möglich ist – solange wir für sie kämpfen.“