Der emeritierte Papst Benedikt XVI. muss sich womöglich vor einem weltlichen Gericht wegen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche verantworten. Laut Recherchen der Medien Correctiv, Die Zeit sowie dem Bayerischen Rundfunk hat am vergangenen Wochenende ein Anwalt eines Missbrauchsopfers aus Bayern Klage eingereicht.
Neben dem 95-jährigen Papst erhob der Anwalt außerdem gegen weitere Geistliche eine Klage. Die Hauptanklage richtet sich gegen den Priester Peter H., der auch im Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising vom Januar 2022 eine zentrale Rolle spielte. Er soll laut den Recherchen in den 1990er Jahren in der Erzdiözese München mehrere Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben, unter ihnen auch den Kläger.
Feststellungsklage soll Schadensersatz bringen
Die Missbrauchsfälle sind strafrechtlich weitgehend verjährt. Deshalb hat der Anwalt des Opfers, der Berliner Strafverteidiger Andreas Schulz, eine Feststellungsklage eingereicht. Eine strafrechtliche Verfolgung ist damit nicht möglich, allerdings kann die Schuld der Kirche festgestellt werden. Der Kläger hofft, dass die Schuldigen „zum Ersatz des Schadens ihm gegenüber verpflichtet“ sind.
Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird vorgeworfen, den Priester Peter H. weiter in der katholischen Kirche beschäftigt zu haben, „obwohl dem Erzbistum München und Freising die sexuellen Übergriffe des H. bekannt waren“. Der Papst habe damals als Kardinal Kenntnis von den Umständen gehabt und habe „zumindest billigend in Kauf genommen, dass dieser Priester ein Wiederholungstäter ist“, heißt es in der Klageschrift. Bereits 2016 wurde die Schuld des Priesters gerichtlich festgestellt. Die Indizien seien erdrückend gewesen.
Ob der emeritierte Papst und frühere Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger für die Übergriffe belangt werden kann, ist umstritten. Experten räumen der Klage dem Medienbericht zufolge Chancen ein, wenn die Kirche darauf verzichtet, sich auf Verjährung zu berufen, wie sie es bereits in den innerkirchlichen Verfahren getan hatte. Der frühere Münchner Erzbischof Kardinal Wetter habe angekündigt, keinen Antrag auf Verjährung stellen zu wollen, hieß es. Das Erzbistum München und Freising habe sich zu den Recherchen nicht offiziell äußern wollen.
Im Falle eines Erfolgs der Klage würde die Kirche zwar nicht zur Zahlung eines Schadensersatzes verurteilt, geriete aber weiter unter Druck, ihr Haltung zu Entschädigungen zu überdenken.