In der vergangenen Woche hat das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, geleitet von Hans Leyendecker, beschlossen, Vertreter der AfD nicht zum Protestantentreffen nach Dortmund im kommenden Jahr einzuladen. Keiner der Rechtspopulisten soll auf einem der Podien vertreten sein oder sich anderweitig politisch äußern. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, begrüßte die Entscheidung. Es herrscht eine seltene protestantische Einigkeit: Nachdem man sich jahrelang darum bemüht hat, klar zu machen, dass die selbsternannte Alternative keine eben solche ist, soll sie nun gar nicht mehr gehört werden.
Das ist ein Fehler. Denn das Ausgrenzen der AfD dient ausschließlich den Ausgegrenzten selbst. Es macht sich gut in Wahlkampfreden, wenn Männer wie der religionspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Volker Münz, davon berichten können, wie ihnen Toleranz, Meinungsfreiheit und Nächstenliebe verwehrt werden – und zwar ausgerechnet von jenen, die diese im Namen Jesu an erste Stelle setzen müssten. Diejenigen aber, die der Kirchentag vor den Stimmen der AfD bewahren möchte, halten sich ohnehin nicht bei der Großveranstaltung auf und interessieren sich auch selten für die Berichterstattung darüber. Das Publikum des Kirchentages ist AfD-kritisch und eher links als konservativ. Mehr als Buh-Rufe können Rechtspopulisten dort nicht erwarten. In ihren eigenen Reihen hingegen können sie sich nun einmal mehr als Märtyrer stilisieren – und Kopfschütteln sowie rückenstärkenden Applaus ernten.
Wege finden, der AfD zu begegnen
Aktuellen Umfragen zufolge würde knapp jeder fünfte Deutsche derzeit seine Stimme für die Rechten geben. Statt weiterhin so zu tun, als sei das politische Mitwirken der AfD ein kurzes Gewitter, das rasch vergehen wird, wenn man das nur vehement genug herbeiredet, sollten Politiker wie Kirchenfunktionäre sich darin üben, die AfD sachlich und fachlich zu stellen.
Der Berliner Bischof Markus Dröge zeigte in einem glänzenden Auftritt auf dem Kirchentag 2017, wie das gehen kann – ohne Generalangriffe auf die Partei, menschlich und mitfühlend, aber klar in der Sache. Nicht hilfreich ist es hingegen, wenn Politiker, bevor sie sich der Sachfrage zuwenden, zunächst einen mehrminütigen Monolog über die Schlechtigkeit der Partei führen, wie etwa beim Katholikentag und wiederholt im Deutschen Bundestag geschehen. Wer die AfD immer wieder grundsätzlich zum Thema macht, sorgt auch dafür, dass sie immer wieder die Chance hat, sich selbst darzustellen – und nicht nur in einem Nebensatz einer Meldung vorkommt, weil sie zur Rente, zum Haushalt oder zur Digitalisierung schlicht keine Argumente hat.
Kirchen steht es nicht gut zu Gesicht, eine Partei, die von 18 Prozent der Deutschen favorisiert wird, auszuschließen. So sind die potenziellen Rechtswähler nicht zu erreichen. Es nützt niemandem, außer dem eigenen Gewissen. Bedford-Strohm oder Leyendecker machen sich selbst so zu einem Teil der AfD-Erfolgskurve – und mögen sie noch so laut „Wehret den Anfängen“ rufen.
Von: Anna Lutz