Seit mehreren Monaten dauert die Coronakrise bereits an. Dennoch sei es für eine fundierte Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen zu früh, erklärt der Leiter der Kommunikation des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG), Michael Gruber, auf Nachfrage von pro. In den aktuellen Monatszahlen des Bundes seien keine größeren Auswirkungen des Spenderverhaltens zu erkennen. Dennoch rechne man mit einem Spendenrückgang. Es gelte, die Entwicklung genau zu beobachten und zu prüfen, welche Ausgaben zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nötig seien. Zum BEFG gehören etwa 82.000 Mitglieder.
Ähnlich verhält sich die Situation in der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), zu der knapp 50.000 Menschen gehören. Eine positive oder negative Entwicklung der Finanzen hänge in erster Linie von der weiteren wirtschaftlichen Gesamtsituation in Deutschland und damit von der der einzelnen Mitglieder ab, sagt Pressesprecher Klaus Ulrich Ruof. In nur wenigen Arbeitsbereichen, wie der Zeltmission, habe man Kurzarbeit beantragen müssen. Aktuell verzeichneten einige Gemeinden zwar Spendenrückgänge, andere aber wiederum Zuwächse.
Der Schatzmeister des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), Daniel Dallman, lobt gegenüber pro die Bereitschaft der Mitglieder, die Gemeinde „weiterhin und vermehrt zu tragen“. Ein Wegfall der sonntäglichen Kollekte müsse dennoch hingenommen werden. Daher passten einige Gemeinden ihre Budgets nun an. Zudem könnten Gemeinden, die wegen der Coronakrise finanzielle Schwierigkeiten bekämen, eine Reduzierung oder zweimonatige Aussetzung des Gemeindebeitrags an den Bund beantragen. Davon hätten momentan sieben von etwa 830 Gemeinden Gebrauch gemacht. Zum BFP gehören mehr als 60.000 Mitglieder.
Einbruch der Kirchensteuer befürchtet
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rechnet wegen der Coronakrise derweil mit erheblichen finanziellen Einschnitten. Der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm warnte bereits Mitte April vor geringeren Einnahmen. „Wir rechnen schon in diesem Jahr mit spürbar weniger Kirchensteuern und im nächsten Jahr sogar mit einem noch stärkeren Rückgang“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Früher oder später werde der Punkt kommen, an dem nicht mehr alle Projekte finanziert werden könnten.
Konkrete Zahlen nannte diese Woche die Evangelische Kirche im Rheinland. Nach eigenen Angaben erwartet sie einen Rückgang der Kirchensteuereinnahmen von bis zu 15 Prozent – das entspräche 75 Millionen Euro. Daher „sichten wir gerade den Haushalt, um zu prüfen, auf welche geplanten Ausgaben wir zunächst verzichten können, um Liquidität zu sichern“, berichtete Sprecher Jens Peter Iven der Deutschen Presse-Agentur.
Die katholischen Bistümer in Nordrhein-Westfalen können noch keine genauen Zahlen nennen, rechnen aber ebenfalls mit einem „spürbaren“ Effekt. Aufgrund des anhaltenden Mitgliederrückgangs in den vergangenen Jahren habe man beispielsweise im Bistum Münster einen Sparprozess und umfassende Veränderungen angestoßen. Die Pandemie mache diesen nun umso notwendiger, teilte das Bistum mit.
Laut einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beginnt mit der Coronakrise auch für die Kirchen die große „Dürre“. In einer Bestandsaufnahme sprechen die Redakteure Reinhard Bingener und Daniel Deckers sogar von einer „kirchenhistorischen Zäsur“. Eine Studie des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen hatte herausgefunden, dass sich die Zahl der Mitglieder und der Erträge bis 2060 halbieren.
Harte Einsparungen unsausweichlich
Die Coronakrise mache das „Mittelfristige tagesaktuell“, erklärt Jörg Antoine, Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche in Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Das Problem der süddeutschen Landeskirchen sei, dass sie ihre Einnahmen durch viele „kirchentreue Mittelständler“ generiere. Das habe dazu geführt, dass die württembergische Landeskirche im April über 20 Prozent Einnahmeverluste verbuchen musste. Dies mache harte Einsparungen unausweichlich.
Etwas anders sehe die Lage in der katholischen Kirche aus. Einige wenige Bistümer verzeichneten hohe Einnahmen und verfügten über große Rücklagen. Andere müssten ihr Defizit durch den Griff in die Rücklagen auffangen. Die Coronakrise treffe die Kirchen härter als die Finanzkrise vor über zehn Jahren, da dieses Mal alle Sektoren der Volkswirtschaft betroffen seien.
Drei Leitkriterien für die Arbeit der EKD
Schwierig könnte es für die Kirche werden, wenn ihr „nach Corona vermehrt die Bezieher höherer Löhne und Einkommen den Rücken kehrten“. Auch auf mögliche Fusionen wirke sich das aus. Wo bisher beim Zusammenschluss von Kirchenkreisen die Freiwilligkeit im Vordergrund stand, steige jetzt der Druck zu Zwangsfusionen.
Die FAZ-Redakteure glauben nicht, dass die „hereinbrechende Geldnot“ zu einer „Reform von oben“ führe. Leidtragende könnten die ärmeren Landeskirchen sein. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) arbeite gerade daran, bis 2030 in einem „ambitionierten Sparkurs“ 30 Prozent ihrer Ausgaben zu sparen. Ziel der Einsparungen seien drei Leitkriterien. Die Arbeit der EKD solle „die Landeskirchen entlasten, die Mitgliederbindung stärken und die öffentliche Präsenz der Kirche erhöhen“.
Situation in den USA bedrohlich
Während Gemeindebünde und Kirchen in Deutschland noch keine existentiellen Nöte wegen des Coronavirus befürchten und nur die Finanzierbarkeit einzelner Projekte prüfen, gestaltet sich die Situation in den USA wesentlich dramatischer.
Eine Umfrage der „National Association of Evangelicals“ (Nationale Vereinigung der Evangelikalen) unter 1.000 US-Gemeinden ergab, dass fast zwei Drittel (65 Prozent) von ihnen seit Mitte März, als die Präsenz-Gottesdienste eingestellt wurden, einen deutlichen Spendenrückgang verzeichneten. Als Ursache für finanzielle Schwierigkeiten nennt Studienleiter Brian Kluth die steigende Arbeitslosigkeit und reduzierte Einkommen. Die erhobenen Daten stammen vom 23. April und dürften sich aufgrund der inzwischen weiter gestiegenen Arbeitslosenzahlen weiter verschlechtert haben.
Laut der Washington Post leiden vor allem kleinere Gemeinden unter dem Spendenrückgang. Es sei zu befürchten, dass das Coronavirus viele dieser Gemeinden zerstören könne. Etwa ein Drittel verfügten über keinerlei Ersparnisse. Hinzu komme, dass viele Gemeinden in der Krise wegen der ausfallenden Gottesdienste nicht präsent für die Mitglieder seien. Laut der zitierten National-Congregations-Studie von 2019 haben 20 Prozent ihre Gottesdienste im Internet übertragen. 48 Prozent der untersuchten Gemeinden waren in der Lage, Spenden elektronisch entgegenzunehmen.
Alle Kirchen in den USA finanzieren sich über Spenden oder Mitgliedbeiträge. Eine Kirchensteuer wie für die zwei großen Kirchen in Deutschland gibt es in den USA nicht.
Von: Martin Schlorke/Johannes Blöcher-Weil