Kirchenrechtler wirbt für Auseinandersetzung mit Friedensethik

In einem Gastbeitrag wirbt der Jurist Hans Michael Heinig für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der christlichen Friedensethik. Dabei helfen könnten zwei Texte aus der Vergangenheit.
Von Martin Schlorke

Vor einseitigen Stellungnahmen der Kirche im Ukraine-Konflikt hat der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Montag gewarnt. „Eine kirchliche Friedensethik tut gut daran, die realen Machtverhältnisse zur Kenntnis zu nehmen.“ Eine ethische Perspektive müsse daher realpolitisch ansetzen.

Für Heinig sei Frieden mehr als Friedensruhe, aber auch mehr als militärische Abschreckung. Daher sei eine kirchliche Friedensethik, die zum ungerechten Frieden führe, zynisch. Eine solche Ethik, die in einen Frieden mit Massenmord, Vergewaltigung und Folterung mündet, müsse sich die Frage gefallen lassen, wie sie es mit den Schwächsten und Verletzlichsten halte. Wer die Anwendung militärischer Gewalt unter Verweis eines gerechten Friedens strikt ablehne, „bleibt eine vernünftige Alternative schuldig.“ Selbst das Potenzial zivilen Ungehorsams „erscheint im Angesicht der Schreckensbilder aus der Ukraine unzureichend“, gab Heinig zu bedenken.

Für ihn zeichne sich kirchliche Friedensethik dadurch aus, dass sie mit den Abgründen des Menschen rechnet und zugleich die Hoffnung nicht aufgibt, dass der Mensch immer wieder das Böse überwinden kann. Insofern ergänzten sich Militärseelsorge sowie Friedens- und Versöhnungsarbeit.

Augsburger Bekenntnis und Barmer Theologische Erklärung

Heinig wies außerdem darauf hin, dass sich die christliche Friedensethik nicht aus einer Reihe von biblischen oder theologischen Zitaten erschöpfen könne. So müsse beispielsweise bei Bibelversen wie dem fünften Gebot („Du sollst nicht töten“) eine sprachliche Bearbeitung stattfinden. Bei anderen Texten wie denen des schweizerischen Theologen Karl Barth sei eine zeitgeschichtliche und soziokulturelle Einordnung von Nöten. Anderenfalls könne man nicht von Ethik, sondern von religiösem Doktrinismus sprechen.

Darüber hinaus müsse die kirchliche Friedensethik „angesichts der Vielfalt von Frömmigkeitsstilen und politischen Überzeugungen in der Kirche in gewissem Maße pluralismusfähig sein.“ Das setze die Fähigkeit voraus, zwischen „letzten Fragen des christlichen Glaubens und politischen Schicksalsfragen des Gemeinwesens unterscheiden zu können.“

Für besonders relevant für die kirchliche Friedensethik hält Heinig den Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses von 1530 und die fünfte These Barmer Theologisch Erklärung von 1934. Doch auch diese kirchenhistorisch bedeutenden protestantischen Bekenntnistexte würden keine einfachen Antworten geben. Als überlieferte Glaubenszeugnisse könnten sie jedoch „auch heute noch Orientierung geben.“  

Die Barmer Theologische Erklärung war das theologische Fundament der Bekennenden Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie richtete sich gegen die falsche Theologie und das Kirchenregime der so genanntenDeutschen Christen“. Das Augsburger Bekenntnis bündelte die theologischen Überzeugungen der Wittenberger Reformatoren und diente der Vorbereitung der Beratungen auf dem Reichstag in Augsburg.

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Eine Antwort

  1. Thematisch ist diese Diskussion zwischen 1970 und 1990 intensiv und ernsthaft in Publikationen der Evangelishen Militärseelsorge geführt worden. Exemplarisch sei auf „Ernstfall Frieden -Christen in der Bundeswehr“, Kreuz Verlag, 1980 sowie „Streitkräfte im Wandel“ Lutherisches Verlagshaus, 1990 hingewiesen. Im Ev. Kirchenamt für die Bw wartet vermutlich eine große Bibliothek für Interessierte als Fundgrube für eine zeitgemäße Bewertung der aktuellen Lage und grundsätzliche Auseinandersetzung.
    Nicht viel Neues unter der Sonne.

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