Es gibt innerhalb der Gesellschaft Diskussionsbedarf über Religion – einschließlich ihrer künstlerischen Bearbeitung und Darstellung. Das habe der Streit um eine Jesus-Karikatur bei der "Caricatura"-Ausstellung "Die Komische Kunst – analog, digital, international" gezeigt, stellten die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und Vertreter der Galerie "Caricatura" in ihrer gemeinsamen Erklärung fest. Als Werbeplakat für die Ausstellung war ein überlebensgroßer Cartoon an der Außenfassade des Kasseler "KulturBahnhofs" angebracht worden, der Jesus am Kreuz zeigte. Dazu war in einer Sprechblase aus dem Himmel zu lesen: "Ey… du… Ich hab deine Mutter gefickt". Wegen der Proteste seitens christlicher Kirchen entfernten die Veranstalter das Plakat auf Wunsch des Künstlers Mario Lars. In der Ausstellung selbst ist das Werk aber weiterhin zu sehen.
Die notwendigen Auseinandersetzungen über verschiedene Sichtweisen und Interpretationen künstlerischer Inhalte müssten und könnten konstruktiv und fair geführt werden, heißt es in dem Papier. "Andererseits muss aber auch im Blick bleiben, dass es Grenzen gibt, bei deren Überschreitung sich Menschen verletzt fühlen können. Diese Grenzen sind oft individuell, doch gibt es meist auch einen gesellschaftlichen Konsens", so die Erklärung weiter. Beide Seiten wollen sich weiterhin "kritisch und konstruktiv – nötigenfalls auch kontrovers – in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse einbringen". Im nächsten Jahr wird es – unabhängig von der aktuellen Diskussion – ein Komik-Kolloquium mit einer Fachtagung zum Thema "Komik und Religion" in Kassel geben, an dem auch die "Caricatura" beteiligt ist. Die Galerie und die ACK sehen darin eine weitere Möglichkeit des "konstruktiven Dialogs".
Differenzen über die Grenze
Im Vorfeld der Erklärung gab es ein Gespräch zwischen Verantwortlichen der ACK und der "Caricatura". Barbara Heinrich, die als Stadtdekanin der evangelischen Kirche in Kassel dabei war, äußerte sich gegenüber pro zufrieden darüber: "Es war ein konstruktives Gespräch, in dem wir unsere unterschiedlichen Zugangs- und Sichtweisen deutlich gemacht haben, um uns gegenseitig zu verstehen." Der Künstler habe mit seinem Cartoon einen Witz über Jugendsprache machen wollen und sei über die Reaktion überrascht gewesen, sagte Heinrich. "Daran wird der Bedarf sichtbar, dass wir Menschen, die mit dem Glauben nicht viel zu tun haben, deutlich machen, was das für Gläubige bedeutet." Heinrich findet es deshalb wichtig, dass die Kirchen sich dazu geäußert haben. "Wir wollen zeigen, dass es Dinge gibt, die uns so wichtig sind, dass wir die öffentliche Diskussion suchen", sagte sie im Gespräch mit pro. "Wir haben jetzt an einem kritischen Punkt deutlich gemacht, wo es eine Grenze gibt von dem, was witzig ist."
Armin Noll, Sprecher der "Caricatura", sagte gegenüber pro, dass es mit den Kirchen vor allem darüber Differenzen gegeben habe, ob Satire Grenzen gesetzt werden dürfen. "Wir sagen, dass Satire keine Grenzen hat." Einig seien sie sich aber darin gewesen, dass religiöse Symbole nicht im Rahmen von Satire oder Karikaturen zerstört werden dürften. Das Kolloquium über Komik und Religion im nächsten Frühjahr bezeichnete er als "glückliche Fügung". Das sei das richtige Format, um das Thema adäquat zu diskutieren und sich fachlich damit auseinanderzusetzen. (pro)