Die Rufe nach einer schnellen Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat stoßen auf breite Kritik. Evangelische Hilfswerke warnten am Freitag vor voreiligen Abschiebungen aus Deutschland und verwiesen auf die noch völlig unklare politische Lage in Syrien. Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz und der neue Sonderkoordinator für Syrien im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner (Grüne) lehnen Rückführungen zum jetzigen Zeitpunkt ab.
Seit dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad am vergangenen Wochenende wird wieder verstärkt über den Umgang mit syrischen Flüchtlingen diskutiert. Einige Unionspolitiker fordern einen schnellen Rückkehrplan für die Geflüchteten.
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, bezeichnete eine überstürzte Rückführung von Syrerinnen und Syrern als „nicht nur unmenschlich, sondern auch friedens- und entwicklungspolitisch falsch“. Priorität sollten vielmehr Bemühungen haben, die Lage in Syrien zu stabilisieren und die Fundamente für eine friedliche und demokratische Zukunft des Landes zu legen.
Zukunft in Syrien ungewiss
Auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, kritisierte die aktuelle Debatte über Rückführungen. Sie sei ein „Schlag ins Gesicht der Menschen syrischer Herkunft, die in Deutschland Schutz gefunden haben und Teil unserer Gesellschaft geworden sind“. Viele Syrerinnen und Syrer hätten sich in Deutschland eine neue Existenz aufgebaut, beispielsweise als Ärztinnen, Apotheker oder Handwerker, sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. Die aktuelle Debatte führe nur zu einer Verunsicherung der Menschen, die gerade wieder ein Bein auf den Boden bekommen hätten.
Der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, wies darauf hin, dass in Syrien weiterhin 16 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen seien. „Bevor wir über sichere, geordnete und freiwillige Rückkehr sprechen, müssen die Voraussetzungen dafür vor Ort geschaffen werden“, betonte er.
Auch der Sonderkoordinator Tobias Lindner sieht aktuell keine Grundlage für eine Rückkehr nach Deutschland geflohener Syrer in ihre Heimat. „Die Rückkehr muss freiwillig, in Würde und vor allem in Sicherheit erfolgen und dafür sind die Bedingungen am Boden noch längst nicht gegeben“, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt am Freitagmorgen im ZDF-„Morgenmagazin“.
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz schloss sich dieser Einschätzung an und appellierte an die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft, die syrische Bevölkerung in diesem schwierigen Übergangsprozess zu unterstützen. Erzbischof Stefan Heße, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen, kritisierte die Rufe nach schnellen Rückführungen. „So sehr wir alle uns ein Syrien wünschen, in dem Frieden herrscht und die Menschenrechte gewahrt werden: Aktuell ist überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage in Syrien entwickelt“, sagte er.