Es gab sie durchaus auch in der DDR, die "außerordentlich frommen Veranstaltungen". Zumindest erinnerte sich die Grünen-Abgeordnete und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, am Mittwochabend an sie. Die Kirche habe auch im Sozialismus ein Dach für all jene geboten, die sich als Christen frei äußern wollten, ganz nach dem Vorbild Luthers, der einst feststellte, ein Christenmensch sei niemandem untertan. Auch in kirchlichen Veranstaltungen sei man damals daran gewöhnt gewesen, "dass immer Stasi-Spitzel im Raum waren", sagte Göring-Eckardt. "Aber wir waren viele." Das habe frei gemacht. Für sie als Christin sei der Gedanke bestimmend gewesen: "Die können so diktatorisch sein, wie sie wollen, unser Herr ist weit, weit drüber."
Bei der Veranstaltung "Gott hat geholfen – Christen im Widerstand" im Rahmen einer Reihe zu "50 Jahren Mauerbau" ließ die hessische Landesvertretung in Berlin am Mittwoch Göring-Eckardt und den Bischof der Diözese Erfurt, Joachim Wanke, aufeinandertreffen. Beide haben als Christen in der DDR gelebt, beide haben dort theologische Ausbildungen genossen, auch wenn Göring-Eckardt ihr Studium an der Karl-Marx-Universität in Leipzig vorzeitig abbrach. "Die Lehre war letztlich frei", erinnert sie sich an ihre Studienzeit. In einem sogenannten "Gift-Zimmer" seien für die Studenten sogar eigentlich verbotene Schriften zugänglich gewesen. Für Göring-Eckardt war letztlich die Kirche der Ort, der in der DDR Demokratie erfahrbar gemacht hat, etwa in den Synoden. "In der evangelischen Kirche muss man ja über nahezu alles diskutieren." Daher sei es kein Zufall, dass viele Geistliche nach dem Mauerfall in die Politik gegangen seien. "Wir hatten Demokratie schon geübt", sagte sie.
"In der Ökumene floss es zusammen"
Bischof Wanke erinnerte vor allem an das starke Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen in der DDR. Die Staatssicherheit habe zwei Dinge gefürchtet: Die geordnete Ruhe der Katholiken und das ungeordnete Aufbegehren der Protestanten. In der Tat sei die katholische Kirche eher auf der Suche nach einem Modus vivendi gewesen und habe nach der Mentalität gelebt: "Das System wird vergehen, nur, ob wir es erleben?". Die Protestanten hingegen hätten eher nach außen in die Gesellschaft wirken wollen. "In der Ökumene floss es zusammen", sagte Wanke.
Zur heutigen Lage in den neuen Bundesländern erklärte er: "Die Leute sind christlicher, als Sie denken!" Zwar hätten sie verlernt, religiöse Erfahrungen in Worte zu fassen, er sehe aber keine "Grundfeindlichkeit" gegenüber dem Christentum. "Die umfassende Liebe Gottes", stellte dann auch die aus Thüringen stammende Göring-Eckardt fest, sei mit Sicherheit auch dort zu finden, wo Atheisten in der Überzahl seien. (pro)