Ob Hilfe bei den Hausaufgaben oder Angebote für ein Freizeitprogramm mit Freunden nach der Schule: Kinder- und Jugendwerke, wie „Die Arche“, engagieren sich, um die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und ihre Familien zu unterstützen. Die Corona-Pandemie hat die Arbeit schwieriger gemacht. Welche Folgen die Einschränkungen, vor allem währned der Lockdowns, für die Kinder und Jugendlichen haben, erleben die Mitarbeiter unmittelbar.
„Wir haben Kinder von sechs bis 18 Jahren bei uns“, sagt Daniel Schröder, Regionalleiter der Arche Rhein-Main. „Jeden Tag kommen sie in der Regel zu uns zum Mittagessen, zu den Hausaufgaben und zum spielen am Nachmittag.“ Zum Angebot für die Freizeit gehören unter anderem verschiedene sportliche Aktivitäten, aber auch Workshops.
Da die Schulen während der ersten beiden Corona-Wellen schließen mussten, entfiel auch das Nachmittagsprogramm in der Arche. Der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen war abgebrochen. „Bis wir uns sortiert und eine Form gefunden hatten, mit der wir mit den Kindern und Jugendlichen weiter in Kontakt sein konnten, hatte das schon sehr große Auswirkungen auf die Arche selber.“ Mithilfe von WhatsApp-Nachrichten, Anrufen, Videos oder Livestreams hätten die Mitarbeiter versucht, den Kontakt aufrecht zu erhalten. „Dadurch wollten wir den Kindern das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind.“ Auch wenn die digitalen Angebote nicht gleichwertig zu persönlichen Treffen gewesen seien, hätten sie immerhin überhaupt einen Kontakt ermöglicht: „Die Alternative wäre gewesen, die Kinder gar nicht mehr zu sehen.“
Fehlende Freunde und fehlende Geduld
Aber auch im Bereich Homeschooling und Hausaufgabenbetreuung hat sich die Arche während der Lockdowns engagiert. „Vielen Familien hatten nicht die nötige technische Ausstattung, andere hatten keinen Internetanschluss, da sie alles per Mobilfunk machen. Deswegen haben wir, wo es uns möglich war, Laptops oder Datenkarten zur Verfügung gestellt, damit die Kinder online mit uns und unseren Ehrenamtlichen lernen konnten“, berichtet Schröder. Trotz des Angebotes hätten er und seine Mitarbeiter gemerkt, dass sich die Kinder immer mehr zurückgezogen hätten und antriebslos gewesen seien. „Sie durften halt nicht raus“, erklärt er.
„Es fehlte ihnen ein Ort, wo sie sagen konnten: ‚Da kann ich mit anderen unbeschwert spielen‘“, ergänzt Schröder. Das Zusammensein mit Freunden habe vielen Kindern gefehlt. Als Präsenztreffen wieder möglich waren, bemerkten er und seine Mitarbeiter, dass die Lernlücken der Kinder größer geworden sind. Manche hätten kein Mathe mehr gekonnt und andere, die erst seit Kurzem in Deutschland lebten, kein Deutsch mehr. „Das zweite, was wir gesehen haben: dass die Kinder aggressiver waren als davor. Wir spürten ihren Druck. Es gab unglaublich viele Streitigkeiten, Schlägereien und man hatte das Gefühl, der Geduldsfaden bei den Kindern ist deutlich kürzer geworden.“
Kindern nicht die Freiheit rauben
Kinder brauchen das Gefühl, dass sie wichtig sind und dass es Menschen gibt, die ihnen zuhören und Zeit für sie haben. Davon ist Schröder überzeugt. Eine Gruppe, in der sie sich aufgehoben wissen, könne dafür sorgen, dass die seelischen Wunden anfangen zu heilen, die während Corona entstanden sind. „Ein Gruppenangebot, ein Wissen umeinander, ein immer wieder Nachfragen, ein regelmäßiger Austausch kann vieles kompensieren.“ Kinder mit depressiven Zügen bräuchten aber auch professionelle Einzelbetreuung, erklärt Schröder.
In Bezug auf den Stellenwert von Kinder- und Jugendprogrammen in Corona-Zeiten sagt er, dass es schwierig sei, eine Balance zwischen Infektionsschutz und Kindeswohl finden: „Wir müssen zwar Infektionsschutz betreiben, aber wir müssen auch darauf achten, dass wir den Kindern nicht ihre Freiheit rauben.“ Und er ergänzt: „Wenn wir uns heute nicht um die Kinder und Jugendlichen kümmern und sie nicht den Stellenwert bekommen, den sie brauchen, dann werden wir die Folgen davon in den nächsten Jahren erleben.“
Von: Marc-Lukas Seidlitz