Am 1. Januar 1997 ging der Kinderkanal in Erfurt erstmals auf Sendung. Das Experiment aus einer Kooperation von ARD und ZDF feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. pro hat mit dem Redaktionsleiter und Redakteur Matthias Huff gesprochen, der sich auch um die religiösen Inhalte des Senders kümmert.
pro: Wie integrieren Sie Kinder in die Redaktionsprozesse?
Matthias Huff: Da gibt es unterschiedliche Ansätze und verschiedene Ebenen. Zum einen profitieren wir von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen aus Kindergärten und Schulen. Andererseits ist es enorm wichtig, bei den Kindern auf den Schulhöfen vor Ort zu sein. Wenn wir mit Kindern Beiträge produzieren, bekommen wir am besten ein Gespür dafür, wie Kinder ticken. Und das Format Kummerkasten ermöglicht es, die Kinder individuell zu beraten und gibt uns neben aller Post und Mails ein sehr gutes Gefühl für die Zielgruppe.
Ist perspektivisch auch ein Angebot für Flüchtlingskinder geplant?
ZDF oder WDR haben in der Anfangszeit der Flüchtlingswelle spezialisierte bilinguale Angebote produziert und sich der Thematik angenommen. Dazu gehörte unter anderem die Nachrichtensendung logo!. Das waren spezielle Angebote für Flüchtlinge. Perspektivisch sehren wir beim Kinderkanal von ARD und ZDF eher die integrierende Funktion, auch weil viele Angebote nonverbal verständlich sind.
Wie schaffen Sie es, Kinder für FakeNews zu sensibilisieren?
Die Erziehung zu einem kritischen Umgang mit Medien ist eine unserer langfristigen Kernaufgaben. Aber natürlich gab es aktuelle Diskussionen auch bei uns, ein Produkt ist die Sendung „Timster“, hier haben wir das Thema vor wenigen Tagen für die junge Zielgruppe aufbereitet. Uns ist es wichtig, dass die Kinder eine gute Wissensbasis haben, auf der sie sich mit dem Thema beschäftigen. Wir wollen sie sensibel machen für die unterschiedlichen Grade an Glaubwürdigkeit und dass sie Fake News entlarven können.
Wer bestimmt, was an religiösen Inhalten gesendet wird?
Im Gegensatz zu ARD und ZDF haben wir keine speziellen Verkündigungsformate. Die religiösen Inhalte sind quasi – wie alle anderen Bereiche auch – frei verhandelbar, es gibt keine „Quoten-Religions-Zonen“. Religion ist ein wichtiger Teil der Welt und damit auch unseres Programms. Dabei gelten die beiden Prinzipien, dass wir an keiner Stelle missionieren und dass wir unseren Bildungsauftrag erfüllen und die junge Generation mit religiösen Inhalten vertraut machen. Das können fiktionale oder non-fiktionale Formen sein.
Wie haben sich die religiösen Anteile in den vergangenen 20 Jahren verändert?
Ich glaube, dass sich die Schwerpunkte etwas verschoben haben. Vor 20 Jahren konnte man noch von einer breiten kirchlichen Bildung ausgehen. Da ging es dann eher darum, das Gleichnis vom verlorenen Sohn zu kennen, um an der Kultur teilhaben zu können. Das ist nicht mehr ganz so wichtig. Heute ist es, aus meiner Sicht, eher wichtig, ein Gefühl für die religiösen Lebensformen zu bekommen, um die Welt zu verstehen. Nonfiktional sind Dokumentationen über Kinder aus einem religiösen Kontext. Daran können wir unseren Bildungsauftrag durchbuchstabieren. Von rund 200 Dokumentationen „Schau in meine Welt“ spielt zu einem großen Teil Religiöses eine Rolle.
Haben Sie eine Redaktion, die sich ausschließlich mit religiösen Themen befasst?
Nein, es gibt hier keine formale Struktur und keine zentrale Instanz, die Aufgabe, sich angemessen mit Religiösem zu beschäftigen, stellt sich für alle Redaktionen, von Wissen bis zum Spielfilm. Von der Reihe „Schau in meine Welt“ haben wir fast 150 Ausgaben produziert. Viele haben sich mit religiösen Themen befasst. Wie bei vielen anderen Themen sind wir dabei im Austausch mit gesellschaftlichen Gruppen, haben einen regelmäßigen Austausch und arbeiten bei vielen Sendungen mit exponierten Fachberatern zusammen, damit unsere Angebote auch inhaltlich stimmig sind.
Hat sich der Anteil religiöser Sendungen erhöht oder verringert?
Ich sehe hier eher Wellenbewegungen: Durch die Animationsserie Chi-Rho haben wir alleine eine nennenswerte quantitative Erhöhung erreicht. Das ist natürlich ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Mit unserem Format „Schnitzeljagd – Mit Christus um die Welt“ hatten wir 200 Minuten zu einem religiösen Thema im Programm. Wenn wir dieses Format wiederholen, dann schlägt die Kurve natürlich nach oben aus. Auch in einem Jahr, in dem wir 500 Jahre Reformation feiern, wird es rund um Martin Luther besondere Schwerpunkte geben. Aber insgesamt gibt es bei religiösen Themen ein „breites Grundrauschen“. Dies spielt natürlich rund um die kirchlichen Feiertage, aber auch in Wissenssendungen eine Rolle. Neben GfK-Zahlen hängt Erfolg oder Mißerfolg wie bei allen anderen Programmen von der Qualität ab und davon, ob man den Geschmack der Zielgruppe trifft oder nicht. Ich gehe als Programmmacher davon aus, dass die Zuschauer prinzipiell neugierig auf religiöse Themen sind.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie zu Ihren religiösen Inhalten?
Das ist bunt gemischt und man kann es schlecht voraussagen. Wir befinden uns auch im Austausch mit den Rundfunkbeauftragten der Kirchen. Bei vielen Sendungen arbeiten wir auch mit exponierten Fachberatern zusammen, damit unsere Angebote auch inhaltlich stimmig sind. Bei der „Schnitzeljagd – Mit Christus um die Welt“ gab es kaum negative Rückmeldungen. Spannender war das schon, als wir ein türkisches Kind auf dem Weg zu seiner Beschneidung portraitiert haben.
Die Fragen stellte Dr. Johannes Weil